Rezension

Mocky

Navy Brown Blues


Highlights: Fightin Away the Tears // Animal // In the Meantime
Genre: R'n'B
Sounds Like: Stevie Wonder // Prince // Jamie Lidell

VÖ: 19.05.2006

Nett. Das ist sicherlich die beleidigendste aber auch treffendste Bewertung des dritten Albums von Mocky, „Navy Brown Blues“, die einem sofort in den Kopf kommt. Der Künstler präsentiert einmal mehr eine eigene Definition des Begriffs Pop-Musik. Allerdings liegt die so nahe an gängigen Beschreibungen, dass es schwer fällt, die erste „nette“ Kritik am Album durch intensiveres Hören zu vertiefen. Anders formuliert, ist diese Platte zu vordergründig, um zu einer ernsthaften Auseinandersetzung herauszufordern, und zu verquer, um Mocky einen Chart-Erfolg zu gewähren. Letzteres ist durchaus schade, denn es würde Spaß machen, die Songs – denn es sind Songs, nicht nur Tracks – im Radio oder Musik-TV zu hören und zu sehen.

Mocky trägt jetzt Designer-Klamotten und musiziert mit einer Band im Rücken, vergangen die Zeiten von Street-Wear, Badelatschen und Laptop. Fashion und Band plus Mocky und Gäste ergeben ein Album, dessen Songs weniger in den Club sondern eher in die Chill-Out Lounge gehören. Im Spannungsfeld von R’n’B-HipHop, Funk und Jazz entspannt es sich ganz wunderbar mit den üblichen Verdächtigen: Gonzales produzierte mit, Taylor Savvy röhrt den Refrain auf „Elementary“, Jamie Lidell gibt den Vocals von „In the Meantime“ mehr Volumen und Umfang, und Leslie Feist haucht bei „Fightin Away the Tears“ herzergreifend ins Mikro. Langsam erscheint es tatsächlich so, als wolle die Achse Berlin-Paris-Kanada sich die Musikwelt komplett untertan machen. Das Duo Mocky und Feist hat hier schon mal einen kleinen Evergreen geschrieben, den man eher auf einem kommenden Feist-Album mit dem Vermerk „feat. Mocky“ erwartet hätte. Aber auch der dudelt wie die meisten Songs eher an einem vorbei, die Feinheiten der Produktionen blitzen zu selten durch.

Das ist alles zu nett, zu eingängig, ja zu belanglos, um zu fesseln. Barsound, Lounge, Chill Out, Schlagworte, die, wenn ich sie heute verwende, als Schimpfworte zu verstehen sind. Ihre große Zeit sei vorbei, dachte ich, aber Sergio Mendes, neue Brazil-Sampler und auch „Navy Brown Blues“ von Mocky scheinen diesem untoten Genre zu entspringen. Bei letzterem stört all die Nettigkeit. Statt mich mit den kleinen groovend jazzigen Weiterentwicklungen des Genres R’n’B auseinanderzusetzen, skippe ich gelangweilt weiter. Dabei ist das ein Fehler. Wenn bei „One of a Kind“ die Steel-Drum ganz weit im Hintergrund zu klingen beginnt und der Synthesizer leise vibriert oder aber bei „I’m Yours“ das Zusammenspiel von Schlagzeug und E-Piano an Herbie Hancocks Jazz erinnert, dann begeistert das. Solche Kleinigkeiten existieren in jedem Song, aber sie zu finden, strengt an.

Immerhin versinkt nicht das ganze Album im chilligen Weichspüler. Bei „Animal“ und „Extended Vacation“ geraten sogar die Füße in Bewegung, so dass der relaxt den Zigarillo haltend, im tiefen Sessel fläzende Zuhörer vor Schreck die Whisky-Flasche umwirft. Aber das ist leider zu wenig Mitreißendes, um Langeweile und Müdigkeit zu vertreiben. Ich schlafe jetzt erstmal eine Runde.

Oliver Bothe

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