Rezension

Metric

Synthetica


Highlights: Youth Without Youth // Lost Kitten // The Wanderlust
Genre: Indie // Elektro // Pop
Sounds Like: Emily Haines // Stars // St. Vincent // Garbage

VÖ: 22.06.2012

„I´m just as fucked up as they say“, so lauten Emily Haines' erste Worte auf „Synthetica“. Was nach derbem Punk oder heraus gekreischten Worten in einem Rocksong klingt, wirkt bei Haines aufgesagt und poppig. Auf „Synthetica“ spielt die Band mit dem Unechten, zeigt sich widersprüchlich, wie synthetisches Material, Kunststofffasern, die nach echter Wolle aussehen sollen, an deren Qualität sie aber niemals heran kommen können. Seinen Ausdruck findet dies auch in den Titeln der Songs, die da „Artificial Nocturne“, „Dreams So Real“, „Clone“, oder eben „Synthetica“ heißen. Nicht nur in der Bedeutung der Songtitel und den Lyrics ist dieses künstliche, zwiegespaltene Gefühl zu finden, auch in der Instrumentierung spielt es eine wichtige Rolle. Die Band beschäftigte sich während der Aufnahmen des Albums mit Soundspielereien. Sie wollten den Hörer in die Irre führen, ihm Rätsel aufgeben. So wurden „echte“ Instrumente so verzerrt, dass sie wie vom Computer abgespielt klingen. Dagegen erklangen die Instrumente aus der Büchse plötzlich wohlig warm und authentisch. So ist hier nie ganz klar, was nun Original und was Fälschung ist.

So gerne Metric auch mit Fälschungen spielen, etwas mehr Echtheit und Authentizität hätten dem Album gut getan. Die alten organischen Rock-Sounds der Band und ihre naive Herangehensweise an die Aufnahmen fehlen auf „Synthetica“ all zu oft. Vieles wirkt zu stark durchdacht und zu sehr aufpoliert. Dies schien der Band auch selbst während der Aufnahmen aufgefallen zu sein, denn der Song „The Wanderlust“, der den Drang hat, aus dieser künstlich erschaffenen Welt auszubrechen, wollte nicht so recht authentisch klingen, als einer der Bandmitglieder ihn mit Haines im Duett sang. Ein anderer Gesangspartner musste her, jemand, der im Leben genügend echte Erfahrungen gesammelt hatte, um sie in echten Gefühlen mit rauer Stimme wieder zu geben: Lou Reed schien der perfekte Mann zu sein. Nach einem kurzen Telefonat gewann Haines ihn tatsächlich für dieses kurze Zusammenspiel. Leider wurde in der Endfassung des Albumsongs aus dem Duett so viel heraus geschnitten, dass nun lediglich der Refrain von beiden gesungen wird. Aber wer weiß, vielleicht gibt es demnächst eine B-Seite zu hören, mit dem Song, wie er eigentlich klingen sollte.

Trotz all der Künstlichkeit bleiben Metric allerdings Metric, und somit sympathisch und in vielen Punkten dennoch treffsicher. So sticht beispielsweise der Song „Lost Kitten“ durch seine unerwartete, unverblümte Art aus dem Albumkonzept heraus, und „Youth Without Youth“ drängt sich durch seine Gitarrenwände und das treibende Schlagzeugspiel nach vorne.

Der letzte Satz im letzten Song („Nothing But Time“), ist dann auch wesentlich positiver und motivierender, als es der erste war: „I´ve Got Nothing But Time // So The Future Is Mine” singt Haines da. Man darf gespannt sein, was Metric in der Zukunft noch bringen werden. Wer sich allerdings von der alten Kompetenz der Band überzeugen lassen möchte, kann dies durch das Anhören der bisherigen Alben tun.

Marlena Julia Dorniak

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