Rezension
Melvins Lite
Freak Puke
Highlights: Baby, Won't You Weird Me Out // Worm Farm Waltz
Genre: Jazzrock // Doomrock // Desertrock
Sounds Like: Mr. Bungle // Fantomas // Earth // Shrinebuilder
VÖ: 15.06.2012
„Melvins Lite“ – was könnte das bedeuten? Sind die Melvins jetzt etwa vom lärmenden Weg abgekommen und machen akustischen Singer/Songwriter-Pop? Am besten noch mit Mundharmonika? Kann man denn heutzutage auf gar nichts mehr vertrauen, nicht einmal darauf, auch auf dem gefühlt 136. Melvinsalbum noch die übliche Melange aus Krach, verzerrten Gitarren und schiefem Gesang zu bekommen?
Natürlich nicht, denn Melvins Lite ist nahezu der gleiche Etikettenschwindel wie „leichte Zigaretten“: Schädlich ist es trotzdem, es wird nur anders genannt. Den Lite-Aspekt verdankt „Freak Puke“ einer etwas anderen Zusammensetzung im Lineup der Band, die hier als Trio auftritt und aus Buzz Osbourne, Trevor Dunn (Fantomas) und Dale Crover besteht. Eben jener Mix aus Fantomas und Melvins ist der Platte auch über die ganze Länge anzumerken. „Mr. Rip-Off“ gibt sich zunächst handzahm und schleppend. Ein wenig mollige, nach Cello anmutende Töne hier, langsamer Bass dort. „Inner Ear Rupture“ ginge wohl bei vielen unter dem Motto „Violinen stimmen“ durch, nur die wenigsten (meist Kenner der Patton/Zorn-Werke) kämen auf die Idee, hinter den Tönen wirklich einen Song zu vermuten.
Dann aber geht es wie üblich los: „Baby Won’t You Weird Me Out“ hat diese übliche Mischung aus verquerem Gitarrenspiel, Buzz‘ weitläufig entferntem Gesang und Lo-Fi-Atmosphäre. Auch der „Worm Farm Waltz“ beginnt zunächst wie gewohnt, weicht aber stückweise einem kruden Kammerspiel aus Folterkammertönen. Wie es sich für eine Folterkammer gehört, sind diese sehr langsam, um die Schmerzen noch zu verstärken. Im Folgenden bietet die Band dem Hörer immer mal wieder von Streichern, die alles tun, aber nicht streiche(l)n, durchsetzten Desertrock, den man von den Mitgliedern des Trios normalerweise kennt.
Als würden Earth mit ihren Italowesternprojekten auf die „normalen“ Melvins treffen, ist „Freak Puke“ ein für die meisten Menschen kaum hörbarer Mix diverser Lärmexperimente. Oder um es kurz zu fassen: Die Melvins klingen auf "Freak Puke" wie ein durchschnittliches Patton-Projekt. Und so wie es Patton egal sein kann, wer seine vertonten Kochbücher und Stimmexperimente kauft, kann es auch den Melvins egal sein, weitab der Spur eines durchschnittlichen Musikhörers zu fahren. Und weil es ihnen egal sein kann, machen sie eben was sie wollen. Und eben das ist sehr gut so.
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