Rezension

Marteria

Zum Glück In Die Zukunft 2


Highlights: Kids (2 Finger an den Kopf) // OMG! // Bengalische Tiger // Welt der Wunder // Mein Rostock
Genre: HipHop // Rap
Sounds Like: Casper // Yasha // Gerard // Marsimoto

VÖ: 31.01.2014

Dass Deutschrap 2014 da steht, wo er steht, liegt zu einem ganz bedeutenden Teil an Marten Lanciny, den meisten besser bekannt als Marteria oder sein maskiertes, bekifftes Alter Ego Marsimoto. Und während sich alle gegenseitig auf die Schultern klopfen ob der Diversität und Qualität deutschsprachiger Rapmusik und nahezu jede Woche eine neue Veröffentlichung einen hohen Charteinstieg feiert, werden erste Unkenrufe der ewigen Pessimisten laut: Deutschrap begrabe sich gerade wieder selber, die Blase platze bald.

„Zum Glück In die Zukunft 2“ ist ein Mittelfinger in Richtung ebenjener und gleichzeitig der Beweis, dass Deutschrap noch lange nicht dabei ist, sich erneut selbst abzuschaffen. Marteria legt hier noch eine Schippe drauf. Die ersten Singleauskopplungen sind aggressiv und angriffslustig – "Bengalische Tiger" läutet vielleicht sogar so etwas wie eine neue Ära des deutschen Protestliedes ein, während der Generation der nach 1988 Geborenen mit "Kids (2 Finger an den Kopf)" eine Art melancholische Feierhymne vor den Latz geknallt wird. Obendrauf kredenzt Marteria klassische Federmäppchen-Weisheiten mit dem ihm eigenen augenzwinkernden Wortwitz. So heißt es in "Kids": Jetzt wird Goethe zitiert, also Faust hoch oder Evolution wird mit R geschrieben.

Den Gegenpol zu den aufrührerischen Vorboten des Albums bilden ruhigere Songs, in denen Marteria sein eigenes Leben völlig kitschlos und pathosfrei verarbeitet. „Gleich Kommt Louis“ berichtet von den letzten Minuten vor der Geburt seines ersten Sohnes. Die damit verbundenen Sorgen und Ängste finden Ausdruck in den Originalzeilen, die Marteria vor dem Kreißsaal auf einen Fetzen Papier gekritzelt hat. Seinen Höhepunkt findet die Platte am Ende. Das wunderschöne „Welt Der Wunder“ ist das Werk eines gereiften und reflektierten Künstlers und dürfte die Gefühlswelt des Marten Lanciny im Jahr 2014 am besten beschreiben:

Denn wir leben auf einem blauen Planet //
der sich um einen Feuerball dreht //
mit 'nem Mond, der die Meere bewegt //
und du glaubst nicht an Wunder.

Dieser Marten Lanciny zeichnet das ausgewogene Bild einer Generation – mal nachdenklich, mal aufrührerisch, jedoch ohne dabei in die Kapitulation oder den Eskapismus abzudriften. Reflektiert und gereift ist sie jederzeit bereit, den nächsten großen Kampf zu führen – den Finger immer am Abzug (Peng! Peng! Peng! Peng!).

Andreas Peters

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Video zu Marterias dritter Single "OMG!"

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