Rezension

M.I.A.

Kala


Highlights: Bamboo Banga // Boyz // Paper Planes
Genre: HipHop // Weltmusik
Sounds Like: Lady Sovereign // Ms Dynamite // Nelly Furtado

VÖ: 24.08.2007

Keine Frage, Maya Arulpragasam a.k.a. die mit dem unaussprechlichen Namen a.k.a. M.I.A hat in ihrem noch nicht allzu langen Leben schon einiges erlebt. Als Tochter eines tamilischen Rebellenführers aus Sri Lanka über diverse Umwege nach England zu fliehen, dort in den kulturellen Schmelztiegel Londons geworfen zu werden und dessen rassistische Seite am eigenen Leibe zu erfahren, klingt jedenfalls nach ganz schön hartem Tobak für ein unschuldiges Mädchen. Dies führt zu zwei unumgänglichen Entwicklungen. Erstens: die kämpferische Seite der Maya Arulpragasam brach heraus. Zweitens: Die gute Frau hat einiges zu erzählen.

Man nehme diese zwei Faktoren, dazu die Rap-Skills der Dame, und unterlege das Ergebnis mit einer reichlich befremdlichen, aber doch fesselnden Kombination aus HipHop-Beats, einer guten Portion Elektronik, und Samples wie aus einem Bollywood-Film. Fertig ist „Arular“, M.I.A.s 2005 erschienenes erstes Album, zu dem man erstklassig tanzen konnte und, wenn man denn wollte, auch noch einiges über die Freiheitskämpfe im Sri Lanka der 80er, sowie die Misstände im Mutterland des Fußballs erfahren, indem man sich näher mit den wütenden Lyrics der Protagonistin befasste.

Aber mal ehrlich, noch ein Album über das gleiche Thema wäre doch langweilig gewesen. Genau das dachte sich wohl auch M.I.A., denn diesmal wird mit dem Bleiklotz auf dem Gaspedal gleich die ganze Weltpolitik abgewatscht. So zum Beispiel auf „20 Dollar“ (soviel kostet eine AK-47 in Afrika), wo zunächst mit Waffengewalt erkaufte Diamanten thematisiert werden, um dann schamlos bei den Pixies zu klauen, das Ganze mit einem Synthie-Bass im Hintergrund, der so dröhnt, dass er, eine ordentliche Anlage vorausgesetzt, den ganzen Körper zusätzlich zum Gehirn gleich noch mitvibrieren lässt. Ein bisschen Nerv-Faktor war bei M.I.A eben immer schon dabei, und auch „Kala“ kann man wie schon seinen Vorgänger nicht bei jeder Situation und auch nicht beliebig oft hintereinander hören. Einzelne Tracks wie das vom nigerianischen Rapper African Boy gefeaturte „Hussel“ sollte man gar lieber gleich meiden, wenn man nicht völlig wahnsinnig werden will.

A propos Features: Klar, dass ein weltpolitisches Album auch eine große Bühne braucht. Daher vielleicht die Zusammenarbeit mit Timbaland, bei dem es ja bekanntlich die goldenen Schallplatten förmlich vom Himmel regnet, sobald sein Name mit auf dem Cover steht. Das hierbei entstandene „Come Around“ würde, von den Lyrics einmal abgesehen, wohl auch in keiner 08/15 Black-Disco irgendwie auffallen. Negativ gemeint ist das an dieser Stelle übrigens keineswegs, denn wo „Kala“ teils musikalisch gemäßigtere Wege geht, ist es an anderer Stelle sogar noch extremer geworden, als es „Arular“ schon war, und so freut man sich regelrecht über Tracks wie das erstklassige, sehr eingängige „Paper Planes“ als Kontrastprogramm beispielsweise zum kompromisslosen Bollywood-Stampfer „Bamboo Banga“, zu dem auf der Tanzfläche auch die größten Bewegungsmuffel dieser Welt ordentlich ins Schwitzen kommen.

Insgesamt hat das neue Werk, übrigens benannt nach Mayas Mutter, definitiv an Vielfältigkeit gewonnen. Das heißt Dancehall-Einfluss und Bombay-Beats zurückgefahren, dafür Didgeridoos (im leider eher langweiligen „Mango Pickle Down The River“) und Abba-Gedächtnis-Samples („Jimmy“) rein. Hands up, guns out, represent the world town! Genau das tut M.I.A, und zwar nicht zu knapp, schießt dabei allerdings teilweise auch übers Ziel hinaus. Eigentlich trotzdem zu schade, um nur dazu zu tanzen.

Johannes Neuhauser

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