Rezension
Lord Huron
Lonesome Dreams
Highlights: Time To Run // Lonesome Dreams // She Lit A Fire // I Will Be Back One Day // Brother
Genre: Folk // Weltmusik // Calypso // Tropical // Psychedelic
Sounds Like: Paul Simon // Fleet Foxes // Vampire Weekend // Yeasayer // Family Of The Year // Seryn
VÖ: 18.01.2013
Allein schon dieses Albumcover lädt dazu ein sich wegzuträumen. Den klaren Mondschein, die kühle Luft, die Stille der Nacht – man spürt sie, wenn man „Lonesome Dreams“ hört. Nach und nach setzen sich die einzelnen Bestandteile zusammen, Bilder, Landschaften, Gefühle und Geschichten verdichten sich zu einem großen Ganzen. „Lonesome Dreams“ sind Lord Hurons ganz persönliche Geschichten aus 1001 Nacht. Sie erzählen von einer Welt, die vielleicht einmal existiert hat, die es vielleicht auch nie gab und allein der Imagination Lord Hurons entstammt. Im Grunde spielt das keine Rolle. Man weiß nur, dass man gerne dort ist, weil es eine faszinierende Welt ist, in der man sich unglaublich wohl fühlt, in der man zur Ruhe kommt und klare Gedanken fassen kann, fernab vom Alltagsgeschehen, das einen Tag für Tag erfolgreich davon abhält.
Der aus Michigan stammende Ben Schneider hat sein musikalisches Projekt Lord Huron nach dem Lake Huron in seiner Heimat benannt, dem See, an dessen Ufer alles begann. Die Jahre zuvor hatte Schneider in erster Linie seine Karriere als bildender Künstler vorangetrieben, lebte in Frankreich, New York und Los Angeles. Doch die Musik war sein treuer Begleiter, immer war sie dabei, irgendwo im Hinterkopf – und so entstanden die ersten Songideen, aus denen an eben jenem Lake Huron Lord Hurons erste EP entstand, die vor zwei Jahren erschien. Seitdem war Ben Schneider Dauergespräch in der Bloggerszene, das Warten auf ein Debütalbum begann. Eine weitere EP erschien und damit stieg auch die Erwartungshaltung an das erste Album weiter.
Nun ist es da, das Album, und es hat alle Erwartungen erfüllt. Mit Leichtigkeit. „Lonesome Dreams“ ist eine große Reise, ein Gesamtkunstwerk, das nach Fremde und Heimat zugleich klingt, das so viele Assoziationen hervorruft, die einen beim Hören schon fast überfordern, weil man das alles irgendwie nicht unter einen Hut gebracht kriegt und bei jedem erneuten Versuch der Kategorisierung versagt. Irgendwann kommt dann der Moment, in dem man den Kopf abschaltet und sich einfach mitnehmen lässt von dieser Musik. „Oh there’s a river that winds on forever / I’m gonna see where it leads“, sind die ersten Worte von „Lonesome Dreams“ und beinhalten zugleich auch den Ratschlag, wie man mit diesem Album am besten umzugehen hat. Wenn man sich einfach von seiner Neugier leiten lässt und das Album als eine Art Entdeckungsreise sieht, kriegt man wohl den besten Zugang. Nur selten bekommt man Musik zu hören, die so unglaublich bildhaft ist wie die von Lord Huron. Ob es mit Schneiders Künstlerdasein zu tun hat, dass er ein ganz besonderes Gespür dafür hat, wie man Melodien, Klänge und Rhythmen verbindet, aus deren Kombination etwas so viel Größeres entsteht, das so viele Sinne zugleich anspricht?
So leicht und erhaben dieses Album auch daherkommt, man merkt ihm an, wie viel Arbeit in ihm steckt, die ihm seine Tiefe und Vielschichtigkeit verliehen hat, ohne die es sicherlich nicht die überwältigende Wirkung entfalten würde, die es letztlich auf den Hörer hat. Doch natürlich ist es auch die ausnahmslos hohe Qualität der Songs an sich, die dieses Album so stark macht. Wie vielseitig Schneiders Songwriting ist, kommt daher besonders gut zur Geltung, wenn man sich Live-Videos von Ben Schneider und seiner Band ansieht, in denen die Songs ohne das üppige Gewand auskommen müssen, das ihnen auf „Lonesome Dreams“ verpasst wurde. Diese Songs funktionieren nämlich auch ohne die verhallten Chorgesänge und das reichhaltige Instrumentarium, durch das sie auf dem Album gestützt werden. Man kann bei Lord Hurons Debütalbum noch so lange nach Schwächen suchen, man wird sie nicht finden. „Lonesome Dreams“ ist ein Phänomen, losgelöst von Raum und Zeit, das nichts von seiner Faszination verliert, wie oft man es auch hören mag. Kann ein Musikjahr schöner losgehen als mit einem Album, das schon im Januar die Messlatte so hoch legt wie „Lonesome Dreams“?
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