Rezension

Lord Cut-Glass

Lord Cut-Glass


Highlights: Even Jesus Couldn't Love You // You Know // Monster Face
Genre: Folk // Indie
Sounds Like: Get Well Soon // Adam Green // The Boomtown Rats

VÖ: 19.06.2009

Folk ist nicht gerade in Mode. Wer gedanklich die Liederbücher der Schulzeit durchblättert, dem weht ein muffiges Lüftchen aus abgestanden Melodien, lausigen Texten und immer gleichen Harmonien entgegen: Ob nun „The City Of New Orleans“, „I've Been Working On The Railroad“ oder wie auch immer – der Pfadfinderinnen-am-Lagerfeuer-Charme ist passé. Trotzdem oder vielleicht auch gerade deswegen haben sich einige junge Musiker durch den Folk inspirieren lassen, um ihn mit ihrer ganz eigenen "Ironische-Songwriter-Handschrift" zu versehen. Wird dem Ergebnis unfreiwillig oder freiwillig das Label „Indie“ verpasst, lassen sich so sogar Platten verkaufen.

Was Konstantin Gropper und Adam Green begannen, setzt Alun Woodward fort. Unter dem Pseudonym Lord Cut-Glass veröffentlicht der Ex-Sänger der ehemaligen schottischen Band The Delgados sein gleichsam benanntes Debüt. Irgendwo zwischen den opulenten Arrangements von Get Well Soon und der Leichtigkeit Adam Greens rangiert „Lord Cut-Glass“. Wie Gropper setzt Woodward darauf, möglichst viel selbst an den Songs zu werkeln – wann immer es geht, verzichtet er auf die Hilfe externer Musiker. Das Spektrum an Instrumenten ist unglaublich weit und geht klar über klassischen Folk hinaus. Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Woodward und Gropper sind die nie so ganz ernst gemeinten Lyrics – aber wer könnte in Zeiten von Bits, Bytes und Atomwaffen auch ernsthafte Texte mit Folk-Musik kombinieren? Eben.

Ob fröhliche Upbeat-Nummer samt Bob-Geldof-Gedächtnis-Piano-Bridge („Even Jesus Couldn't Love You“), softes Duett mit Elefanten-Trompete im Hintergrund („Holy Fuck“) oder Hobby-Shanty inklusive Akkordeon („I'm A Great Example To The Dogs“) – die Arrangements machen Spaß und die Produktion ist auf einem hohen Niveau. Das Problem ist, dass die Intensität vieler Songs niedrig ist. Kurz nach dem Hören sind Melodie und Rhythmus wieder aus dem Gedächtnis verschwunden. Darüber kann auch die große Bandbreite der musikalischen Anleihen vom treibenden Western-Song in „You Know“ bis hin zur streicherlastigen Ballade in „Be Careful For What You Wish For“ nicht hinwegtäuschen. Nun sollte natürlich nicht jedes Lied – wie bei den billigen Folk-Nummern – nach einmaligem Hören bereits völlig klar sein. Bei „Lord Cut-Glass“ ist es aber nicht die Komplexität, die dies unmöglich macht. Statt dessen sind zu viele Songs wie „Look After Your Wife“, „Picasso“ oder „A Pulse“ vollständig austauschbar. Dennoch ist das Album als Gesamtwerk ein kurzweiliges und ansprechendes Stück Kunst. Außerdem macht es Hoffnung auf mehr, denn es ist ein Indiz dafür, wie viel unterschiedliche Musik sich im Kopf von Alun Woodward abspielen muss.

Mischa Karth

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