Rezension

Leathermouth

XO


Highlights: Sunsets Are For Muggings // Your Friends Are Full Of Shit // Bodysnatchers 4 Ever
Genre: Hardcorepunk // Lärm
Sounds Like: The Bronx // The Locust // Gallows

VÖ: 23.01.2009

Hass, Hass, Hass. Wenn es etwas gibt, wovon Frank Iero eine Menge hat, dann davon, und von allem, was der Thesaurus so als Synonyme ausspuckt: Wut, Zorn, Aggression, auf alles, was in der westlichen Gesellschaft so schief läuft - Polizeigewalt, Schulhoftyrannei, jugendliche Drogenopfer. Ob Ieros Hauptjob als Gitarrist bei My Chemical Romance solche Gefühle eher fördert oder unterdrückt, vermögen wir nicht zu sagen, ohne blöde Emo-Witze zu reißen, fest steht jedoch, dass Iero ein Ventil für den Abbau seines ganzen Frusts benötigte: Leathermouth. Der Begriff "Katharsis" ist im Musikjournalismus überstrapaziert, trifft hier jedoch vollkommen ins Schwarze.

Und wer Kopf und Seele so vollgestopft hat mit diesen negativsten der negativen Emotionen , der kann diese kaum loswerden, indem er leise zum Klang einer Akustikgitarre säuselt. Die einzig akzeptable Ausdrucksmöglichkeit ist dann Musik, die ebenso schnell und hart ist wie die Abreibung, die man seinen Peinigern gerne verpassen würde. Oder, anders gesagt: Leathermouth klingen stellenweise wie The Bronx, nur noch mehr außer Kontrolle - was an sich ja schon aussagekräftig genug ist, sind letztere schließlich auch nicht gerade dafür bekannt, ihre Hörer allzu kuschelig durch die Songs zu geleiten. Doch besonders während des Openers "5th Period Massacre" scheint Iero das Gefühl gehabt zu haben, dass selbst Hardcorepunk der kaputtesten Art hier immer noch kein ausreichend hirnfickender Soundtrack für seine unverständlich rausgerotzbrüllten Hasstiraden wäre und kotzt daher ein Stück an den Anfang der Platte, das schon fast an Crustcore Marke The Locust erinnert. Es gibt wenig Musik, die selbst Moshpits überfordern dürfte, "5th Period Massacre" gehört stellenweise dazu. Wer die passende Aktivität zu diesem Song sucht, muss sich schon mit einer Sniper Rifle auf's nächste Rathausdach stellen.

Je näher man der Mitte und dem Album jedoch kommt, desto strukturierter und "poppiger" wird es - auch wenn "Poppigkeit" in diesem Kontext bedeutet, dass man schon auf dem poetisch betitelten "I Am Going To Kill The President Of The United States Of America" einen Großteil der Beleidigungen und Drohungen, die einem mittlerweile nicht mehr amtierenden Präsidenten entgegengeschleudert werden, sogar akustisch verstehen kann. "Sunsets Are For Muggings" ist dann vielleicht der erste Track, den man wirklich einfach als gelungenen Hardcorepunktrack nach Bronx'scher oder Gallows'scher Machart bezeichnen könnte, inklusive integrierter kurzer Verschnaufpause und finaler Tracht Prügel.

"Your Friends Are Full Of Shit" - man beachte die liebevollen Songtitel - und auch "Bodysnatchers 4 Ever" sind dann richtige kleine Hits, die teils sogar mit Strophe, Refrain und dem ganzen Pipapo aufwarten können und zu denen am besten nur der moshen gehen sollte, der vorher seine Lebensversicherung gehörig aufgestockt hat. Zum Schluss entwickelt sich "XO" so zu einem Album, das auch Menschen gefallen könnte, die aktuell nicht die gesamte Schöpfung verachten. Also, Freund des Geknüppels, ab in den Pit - aber verhalt dich dort bitte sozial, sonst schreibt Iero bald seine nächste Hasstirade bald gegen dich. Und das kann ja auch nicht der Sinn der Sache sein.

Jan Martens

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