Rezension

Kristof Schreuf

Bourgeois With Guitar


Highlights: My Generation // Bourgeois With Guitar // Last Night A DJ Saved My Life
Genre: Alternative-Folk-Pop
Sounds Like: Kolossale Jugend // Bob Dylan // Led Zeppelin // Blumfeld

VÖ: 16.04.2010

Popmusik ist vornehmlich Unterhaltungsmusik. Es besteht somit theoretisch kein Unterschied zwischen „Killing In The Name Of“ und „Herzilein“, zwischen „E2-E4“ und „Ein bisschen Frieden“. In der Tat gibt es Hits oder Schlager, die versuchen, eine Botschaft zu transportieren oder einer speziellen Skizze folgen. Dennoch steht selbst ein theoretisch aufgeladenes Stück Pop noch im Gegensatz zur Kunstmusik. Auch Kristof Schreufs „Bourgeois With Guitar“ ist nun in keiner Weise Kunstmusik, selbst wenn dem Album ein potentiell arg kopflastiges Konzept zugrunde liegt. Die Bewertung der präsentierten Musik kann folglich unter Berücksichtigung der Idee erfolgen oder diese zu ignorieren versuchen. Den durchschnittlichen Hörer wird jedoch die pop-kulturell-theoretische und potentiell-historische Diskussion wenig berühren.

Neben einigen eigenen Stücken kombiniert Schreuf auf „Bourgeois With Guitar“ vornehmlich Texte von Klassikern der Rock- und Popmusik mit eigenen und seltener klassischen Melodien. Das Nehmen von Vorgegebenem und es neu zusammenzusetzen, zu variieren und zu collagieren, ist nichts Neues. Die Frage bei einem solchen Album, bei diesem Album ist also: Ist das, was herauskommt, etwas Neues oder zumindest etwas Überzeugendes?

In diesem Fall ist es nicht einfach, aber notwendig, das Konzept zu ignorieren. Zu leicht ließe sich die Bewertung der Musik, der Eindruck des Albums vom Vorgehen negativ beeinflussen, zumindest, wenn der Hörer nicht theorieverliebt ist oder ein Faible für Schreufs vorhergehendes Schaffen mit Kolossale Jugend oder Brüllen hat.

Die Collage, die nächste Generation des Mash-Ups, die Schreuf hier praktiziert, vernachlässigend präsentiert sich sein erstes Solo-Album „Bourgeois With Guitar“ als durch und durch durchschnittliches Werk, wobei dieses Alltägliche eine Selbstverständlichkeit einer gewissen Mindestqualität voraussetzt. Das heißt, seine zwischen Folk- und Rockpop angesiedelten Songkonstrukte überzeugen vollständig, doch es fehlt das herausragende Qualitätsmoment.

Gleich zu Beginn ist „My Generation“ auf der Melodie von „Scarborough Fair“ einer der wenigen herausragenden Augenblicke, der aber auch die Erwartungen hochschraubt. Dagegen gibt sich „Search & Destroy“ als tief in den frühen und mittleren 1990er Jahren verankertes Stück, das ganz in der Hamburger, der L’Age-D’Or-Tradition steht. Schreufs sanfter Gesang, sein einfaches Gitarren-Picking und die minimale Perkussion vereinen sich harmonisch, fügen sich zu einer alternativen Pop-Perle zusammen und erinnern doch vor allem an die kreative Hochzeit der Hamburger Alternative-Szene. In diesem Stil schließen sich „Highway To Hell“ und das originäre Schreufstück „You Shook Me All Night Long“ an. Dagegen verleiht Schreuf „I Feel Love“ und „Let There Be Rock“ eine psychedelische 70er-Jahre-, eine Led-Zeppelin-Inszenierung. Vor allem Letzteres erinnert zudem an José Gonzales oder Jorge Drexlers Arbeits- und Kompositionsweisen.

Vielerorts wohnt eine tiefe Melancholie den Stücken inne. Diese Eigenschaft macht aus „Last Night A DJ Saved My Life“ einen bedrückenden, kaum enden wollenden Trip, der fast zum Horrortrip wird. Die Stimmung zunächst haltend führt „Breaking The Law“ allmählich daraus heraus, bevor „A Walk In The Park“ den Hörer das erste Licht des Morgens genießen lässt und ihn erhebt. Erstaunlicher Höhepunkt des Albums ist sicherlich das Titelstück. Bläser, die zu Beginn ein Balkandisko-Stück Marke „Miss Platnum“ erwarten lassen, heben das deutschsprachige Alternative-Folk-Pop-Stück auf eine ganz neue Ebene und geben so auch dem Album als Ganzem zusätzlichen Glanz. Nichtsdestotrotz bleibt „Bourgeois With Guitar“ ein stilles, ein zurückgenommenes Album, dessen Qualität sich nur langsam zeigt, das Gefahr läuft, einfach am Hörer vorbei zu plätschern oder in seiner implizit anachronistischen Produktion und Inszenierung beim heutigen Publikum auf taube Ohren zu stoßen – trotz oder gerade wegen der zugrundeliegenden Vorstellungen des Künstlers.

Oliver Bothe

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