Rezension

Kreisky

Blick Auf Die Alpen


Highlights: Selbe Stadt, Anderer Planet // Pipelines // Rinderhälften
Genre: Indie-Pop-Punk // Austropop
Sounds Like: Ja, Panik! // Austrofred // Garish

VÖ: 21.03.2014

Kreisky, die wohl grantigste Band Österreichs, verteilt auch auf ihrem neuen Album „Blick auf die Alpen“ eine Watschn um die andere. Die Medienbranche bekommt gleich zu Beginn ihr Fett weg, daran reihen sich Berufstätige, Frühaufsteher, Ölmagnaten und Käufer von Industriefleisch zu Discounterpreisen.

Und dafür, dass sich die Band gegen den ewigen Unterhaltungszwang richtet, sind die neun Songs des Albums mal wieder äußerst amüsant. „Ja, das ist vielleicht kein Leben, aber es ist gutes Material!" sprechsingt es einem im Opener in bester Die-Goldenen-Zitronen-Manier entgegen und zerreißt dabei Morningshows und Niveau-Limbo im Allgemeinen. Kreisky fühlen sich als unwürdig Unterhaltene, die gute Miene zum ach so bösen Spiel wird aufgedeckt – je übler die Zeiten, desto besser die Laune in der so genannten Unterhaltungsindustrie. Na, ob das so gut geht? Ganz anders der „Blick auf die Alpen“: Vom ersten bis zum letzten Song wird nicht nur fein rumgemosert, sondern es werden auch lässig Seitenhiebe verteilt und kleine Spitzen angebracht. „Schöner Mann am Fließband, zeig mir deine Muskulatur!"

Sänger Franz Adrian Wenzl, der ein Parallelleben als Austrofred führt, vermischt aufs Gekonnteste Alltagssprache und popkulturelle Beobachtungen. Mit schon fast zynischer Freude kosten Kreisky es aus, ihren Hörer(inne)n unangenehme Erkenntnisse ins Antlitz zu schmettern. „Der Mensch gehört nicht in die Wildnis, das ist wider die Natur. Der Mensch gehört in eine Wohnung, auf eine Sofagarnitur" müssen wir uns etwa in „Die Wildnis“ anhören. Die Geschichte, die der Song „Rinderhälften“ entwickelt, ist vielleicht beispielhaft für den eher kruden Humor der vier Wiener. Hier klagt in einem Witz eine Patientin ihrem Arzt ihr persönliches Leid, woraufhin dieser auf die Frage, was ihr nun fehle, bloß entgegnet: „Das ist gut, denn wenn Ihnen nichts fehlen würde, dann müsste ich hier zusperren". Ziemlich behämmert, aber vielleicht auch wahr – vielleicht sind wir tatsächlich in der grenzdebilen Mühle unserer Alltagswelt verloren, Rettung ausgeschlossen? Höchstens das Absurde bietet für Kreisky eine Lösungsmöglichkeit. Und so geht es weiter: „Die Frau – was sucht sie? Der Doktor – was sucht er? Und was finden sie? Und was finden sie? Und was finden sie? Rinderhälften zu Discounterpreisen. Rinderhälften zu Discounterpreisen. Rinderhälften zu Discounterpreisen. Das finden sie!" Das Ganze vor einer düster-apokalyptischen musikalischen Untermalung, recht schaurig.

So legen Kreisky Finger in Wunden, aber eher in der Art einer Pein-lichkeit, mit der sie uns konfrontieren und die uns in voller Größe entgegenschlägt, wenn Franz Adrian Wenzl im Video zu „Pipelines“ mit einem orangefarbenen Jogginganzug bekleidet auf Fuchur reitet. Michael Ende, du hast mein Leben zerstört – schon wieder.

Christoph Herzog

Sehen


Video zu "Selbe Stadt, anderer Planet"

Hören


Video zu "Pipelines"

Finden


Bye-Bye



Am 5. Januar 2021 haben wir éclat eingestellt. Mehr Infos hierzu gibt es auf unserer Startseite!