Rezension

Klimt 1918

Just In Case We'll Never Meet Again (Soundtrack For The Cassette Generation)


Highlights: The Breathtaking Days (Via Lactea) // Ghost Of A Tape Listener // Just An Interlude In Your Life
Genre: Waverock // Progrock
Sounds Like: Editors // Dredg // Band Of Horses

VÖ: 20.06.2008

Zu dem Zeitpunkt, an dem diese Rezension verfasst wird, ist Fußball-Italien aufgrund des bisherigen Verlaufs der Europameisterschaft der Verzweiflung nahe: Nicht genug, dass es mit der Null-zu-drei-Demontage durch Holland die höchste Niederlage der EM-Geschichte gehagelt hat, auch bei dem mageren Unentschieden gegen Rumänien bekleckert sich die traditionsreiche Squadra Azzurra nicht gerade mit Ruhm. Eine erneute Pleite gegen Frankreich würde in einem EM-Debakel resultieren, wie es in den letzten Jahren nur der deutschen Mannschaft vorbehalten blieb. Muss es patriotische Italiener bei solchen Aussichten nicht zumindest etwas trösten, dass mit Klimt 1918 eine der wohl interessantesten italienischen Bands ihr neues Album "Just In Case We'll Never Meet Again (Soundtrack For The Cassette Generation)" veröffentlicht?

Zugegeben: Eine plumpere Einleitung, die kaum noch offensichtlicher auf dem momentan wieder durch alle Lande tuckernden Fußballzug schwarzfahren könnte, ist schwer vorstellbar. Und doch instrumentalisiert der Rezensent das grassierende Kickerfieber nur allzugern, wenn er einer Band dadurch eventuell zu der schon lange verdienten Aufmerksamkeit verhelfen kann, die ihr vielleicht nur deshalb größtenteils verwehrt worden ist, weil Italien und nicht Schweden, die Staaten oder England die Heimat Klimt 1918s sind.

Dabei lieferten Klimt 1918 bereits auf ihrem letzten Album „Dopaguerra“ eigentlich alles das, was seit Interpols Aufsehen erregendem Debüt „Turn On The Bright Lights“ plötzlich wieder in aller Munde beziehungsweise Ohren war – und das nahezu in Perfektion. Die Leitmotive dieses Sounds ziehen sich nun auch durch das komplette „Just In Case We’ll Never Meet Again“: Die sprichwörtlichen „epischen Gitarrenwände“, die jedoch nicht bloß dunkel und bedrohlich in den Himmel ragen, sondern mit den schönsten, buntesten Melodiebildern besprüht sind. Dazu noch ist der mit einem eher untypisch italienisch gesegneten Namen Marco Söllner ein Sänger, dessen Ausdrucksstärke sich durchaus mit der eines Gavin Hayes messen kann, und heraus kommt ein Album, das sich vor „Catch Without Arms“, „An End Has A Start“ oder „Our Love To Admire“ kaum verstecken muss.

Da „JICWNMA (SFTCG)“ durchgängig auf diese Stärken setzt und dadurch sehr homogen (jedoch niemals monoton) wirkt, ist es jedoch eher schwierig, einzelne Songs herauszupicken oder gar eindeutige Hits, wie es "They Were Wed By The Sea" auf "Dopaguerra" war, zu identifizieren. Und doch haben viele der Songs etwas ganz Eigenes, Wundervolles, wie das Schlagzeugspiel in "Just An Interlude In Your Life", für das die meisten Schlagzeuger wahrscheinlich eine oktopusähnliche Anzahl an Extremitäten benötigen würde. Oder die Tempowechsel in "Suspense Music". Oder ganz besonders der Schlussteil im Opener "The Breathtaking Days (Via Lactea)", der zu den tollsten Instrumentalparts gehört, seit Menschen entdeckt haben, dass man Gitarren in elektrische Verstärker stöpseln kann.

Zwar ist 2008 noch etwas zu jung, um jahresübergreifende Prognosen zu treffen, doch wenn irgendwann die Wahl des besten Waverock-Albums anstehen sollte, stehen die Chancen für Klimt 1918 gut. Zumindest eins ist sicher: In der Vorrunde ausscheiden würden sie kaum. Vielleicht ja ein Trost für Italien, wenn's gegen Frankreich auch nicht klappt. Und wer braucht schon Erfolgserlebnisse im Fußball, wenn wenigstens die Musik gut ist? Na bitte.

Jan Martens

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