Rezension

Klez.E

Flimmern


Highlights: Tag im Fall // Surfen im Wahnsinn // Strandlied
Genre: Indiepop
Sounds Like: Delbo // Voltaire // Radiohead // The Notwist // Tocotronic

VÖ: 18.08.2006

Jetzt könnt ihr, wie wir, durch den See schwimmen und die vielen Inseln entdecken. Der See ist gross und wir alle werden immer wieder neue Dinge in ihm finden.

Ich befolge den Rat, den Klez.E zu ihrem zweiten Album "Flimmern" mitgeben. Die Sonne steht nur noch knapp über dem Horizont und spiegelt sich in den Unebenheiten der Wasseroberfläche. Das Licht hat einen unerwartet künstlichen Anstrich, ähnlich wie er auch bei Radiohead verwendet wird. Zwanzig Meter entfernt sitzt ein hübsches Mädchen und klimpert mit einem Eisenstab auf einer Glaskugel herum. Die Nacht und dein Gesicht, und mein Leben ändert sich. Und du bleibst und bleibst und bleibst, veränderst mich, veränderst mich. Als auf der anderen Seite des Sees eine Orgel erklingt, beschließe ich, mich ins Wasser zu begeben.

Irgendetwas ist hier seltsam. Überall gibt es kleine Strudel und Verwirbelungen, die mich zum Boden des Sees ziehen. Für einen kurzen Moment wird es dunkel, in der Ferne fangen Lämpchen an zu funkeln. Erst sind es nur einige wenige, aber es werden immer mehr. Plötzlich zieht mich die nächste Strömung mit. Ich lasse locker und treibe ganz sanft, mal mehr, mal weniger schnell durch die Unterwasserwelt. Immer wieder blitzen Halbsätze auf, etwas Konsumkritik, etwas verflossene Liebschaft, mal anklagend, mal traurig. Schließlich halte ich an. Vor mir stehen ein Akkordeonspieler und ein Geiger. Eine dritte Person singt über einen beschissenen Tag, einen "Tag im Fall". Ich wünsche mir dich, ohne Farben, ohne Licht, und doch, dass du uns nicht sagst, dass du niemals zurückkommst. In meinem Kopf taucht ein elektronischer Beat auf, der als einziges Ziel zu haben scheint, sich selbst zu zerstören. Oder mich. Den Tränen nahe ergreift mich wieder eine dieser Wellen.

Klez.E lieben Gitarren auf eine ähnliche Art wie es die aktuellen Tocotronic tun, nur ordnen sie selbige dichter an. Meist klares Arpeggio, mal verstört im Hintergrund wabernd, nur um sich dann mit der schönsten Melodie wieder in den Vordergrund zu spielen. Dazu kommt eine zweistellige Anzahl an Instrumenten, die an vereinzelten Stellen ganz dosiert zum Einsatz kommen. Hier wird mal eine Gitarre von Streichern getragen, dort eine andere mit Weingläsern akzentuiert. Das alles findet jedoch nur ganz fein im Hintergrund statt und fällt bei den ersten Hördurchgängen noch nicht mal auf.

Dadurch wird "Flimmern" zu einem Paradebeispiel für einen Grower. Die Songs sind angereichert mit Wendungen und Ideen, sie nehmen verträumte Auszeiten, sie reißen mit und rühren zu Tränen. Und trotzdem funktioniert das Album großartig als Ganzes. Einmal eingelegt wird man hingerissen von Sätzen wie Wieso verschwimmt die Welt jetzt vor meinen offenen Augen, wieso kannst du so ungehindert gehen? und versinkt gänzlich in diesem Fluss aus tollem gitarrenlastigen Indiepop. Allerdings muss man dem Album erst einmal genaue Aufmerksamkeit schenken, bevor es anfängt diese zurückzuzahlen. Aber das tut es, ganz bestimmt.

Matthias Kümpflein

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