Rezension

King Creosote

Flick The Vs


Highlights: Coast On By // Fell An Ox // No One Had It Better
Genre: Indie // Singer-Songwriter // Electronica // Pop
Sounds Like: Malcolm Middleton // Bright Eyes // Adam Green

VÖ: 24.04.2009

Käme die helga-rockt-Redakion auf die Idee, jede relevante Band der Welt mit einem Fähnchen auf einem Globus kennzeichnen zu wollen, so ergäben sich einige Probleme: Neben ausufernden Diskussionen käme es möglicherweise zu handfesten Auseinandersetzungen, ob Band XY „relevant“ genug ist, um mit einem Fähnchen geehrt zu werden.

Zusätzlich würde der Platz in einigen Ländern knapp werden. Eine Insel in der Nordsee hätte vermutlich die größten Schwierigkeiten, alle Flaggen zu beherbergen – kein Land der Welt dürfte eine solch hohe „Bands pro Kopf“-Quote haben wie Großbritannien. Ob hierfür ein bestimmtes Musik-Gen oder ein musikalischer Zusatz in der Muttermilch verantwortlich ist, ist leider nicht überliefert.

Schottland reiht sich mit Bands wie Mogwai, Aereogramme oder Glasvegas in den britischen Reigen ein. Ob das Land der Highlands und des Whiskys indes auch eine Flagge mit der Aufschrift „King Creosote“ bekäme, wäre eine der oben genannten Diskussionen wert. Hinter diesem Pseudonym steckt der Musiker Kenny Anderson. Der junge Mann ist im Vereinigten Königreich keine Unbekannte mehr – der Song „Coast On By“ des vorliegenden Albums schaffte es dank massenkompatibler Harmonien und choralem Gesang, Song der Woche bei Radio 2 zu werden. Außerhalb der Insel geht der Bekanntheitsgrad des Singer-Songwriters jedoch gegen null.

„Flick The Vs“ schickt sich sich an, dies zu ändern. Die wohlbekömmliche Mischung aus einer angenehmen Stimme, schönen Melodien und einer leicht experimentellen Instrumentierung ist prädestiniert dazu, erhört zu werden. Erfreulicherweise lösen die Songs sich wiederholt von den radiotauglichen Melodien und lassen eine völlig unkommerzielle Intimität zum Vorschein kommen.

Dezente Synthies und eine verzerrte Stimme transferieren den Opener „No One Had It Better“ aus dem Jahr 2009 zunächst ein Stück weit in die 80er Jahre. Glücklicherweise setzen kurz darauf Schlagzeug und konventioneller Gesang ein, so dass dem Song – und dem ganzen Album – nicht das gleiche Schicksal droht wie so vielen elektronisch angehauchten Stücken: auf irgendeinem Trip in den 80ern hängen zu bleiben (Stichwort: The Killers!). Der längste Song des Tonträgers bietet einen feinen Breakbeat, der Gesang ist zerbrechlich und phasenweise auf sich selbst gedoppelt; auch wenn nichts Spektakuläres passiert, ist dies eines der Highlights des Albums.

Song drei „Camels Swapped for Wives“ offenbart das erste Mal die Radiokompatibilität von „King Creosote“ und „No Way She Exists“ setzt in puncto Massenwirksamkeit noch einen drauf: Die Melodie könnte gut und gern von den Beatles stammen und auch sonst hat der Song wenig zu bieten.

„Fell An Ox“ beginnt mit tief-waberndem Synthie-Bass und arhythmischem pizzicato weitaus unkonventioneller. Der nackte Gesang, der hinzu tritt, lässt den Hörer erstmals in die schottische Welt eintauchen. Auch wenn in Song zwei Dudelsäcke anklingen, wird hier erstmals das Bild eines einsamen Schotten in seinem uralten Steinhaus erweckt. In das gleiche Horn bläst „Nothing Rings True“. Die Upbeat-Nummer „Rims“ und das poppige „Saw Circular Process“ runden das Album ab.

„Flick The Vs“ ist eine wahre Gratwanderung – auf den ersten positiven Eindruck, ein stimmungsvolles und richtig gutes Album in den Händen zu halten, folgt schon bald die Befürchtung, dass von den Arrangements her teilweise zu sehr auf die Pop-Schiene gesetzt wurde. Doch immer, wenn die Platte droht, zu simpel und catchy zu werden, kommt eine überraschende Wendung. Stark ist das Album in den Songs wie "Fell An Ox", in denen das schottische Kopfkino zu laufen beginnt. Dafür ist ein Fähnchen drin, aber für eine große Flagge auf dem Indie-Globus muss noch gearbeitet werden.

Mischa Karth

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