Rezension

Kazumasa Hashimoto

Tokyo Sonata Original Soundtrack [Import]


Highlights: Asa // Ending // Echo, Echo // Clair de Lune (Arranged by Kazumasa Hashimoto)
Genre: Minimal-Pop
Sounds Like: Ryuichi Sakamoto // Rei Harakami

VÖ: 21.11.2008

Obwohl Kazumasa Hashimotos Soundtrack zu Kiyoshi Kurosawas Film „Toyko Sonata“ bereits sein fünftes Album ist, erscheint es unwahrscheinlich, dass viele Menschen in Europa bereits von ihm, bzw. seine Musik gehört haben. Wie das Filmdrama u. a. als „Horror des Alltäglichen“ bezeichnet wird, zeichnet Hashimoto mit einfachsten Mitteln, mit meist nur wenigen Tonspuren eine kleine, alltägliche Reise, die doch voller Spannung steckt.

In zwanzig Miniaturen, die ergänzt werden durch zwei Interpretationen von Debussys „Claire De Lune“, transportiert Hashimoto mittels Mellotron, Klavier, Gitarre und Rauschen eine kleinteilige, vielfach kindlich angehauchte, immer warme und leicht als typisch japanisch zu bezeichnende Atmosphäre. Das Kindliche wird am deutlichsten verkörpert durch die beiden „takes“ der Klavier-Unterrichtseinheit „Unten“. Den warmen Charakter gewinnt der Soundtrack vor allem durch die – wohl dem Mellotron entspringenden – Holzbläserklänge, wie sie in vielen Stücken vorkommen, am prägnantesten jedoch vielleicht in „Asa“ und „Tokuni Mieru Hikari“ genutzt werden. Das Kindliche, das Warme und das hier als ruhig, in asiatischen Soundtracks häufiger Vorkommende bezeichnete, mögen zusammen etwas Märchenhaftes verströmen: eine musikalische Inkarnation des visuellen Charakters osteuropäischer Märchenfilme, antiquarischer Märchenbücher oder altmodischer Märchenkassettenproduktionen.

Ohne den Film „Tôkyô sonata“ gesehen zu haben, ermöglichen es Hashimotos Arrangements, seine Melodien, seine ruhige Tonsetzung, die immer wieder allen Ton ausblendenden Pausen, sich zur Musik eigene Geschichten zu entwickeln. Der Soundtrack vermag, vielfältige eigene Bilder im Kopf hervorzurufen, Bilder und Geschichten, die vollkommen frei sind vom eigentlichen Plot und seiner Inszenierung. Die Funktionalität des Soundtracks im Rahmen von Kurosawas Film dürfte sicher sein, doch Hashimotos Musik begeistert umso mehr, als sie eben gerade unabhängig vom ursprünglichen Kontext funktioniert. Sein „Tokyo Sonata Original Soundtrack“ gelingt vor allem auch als Kazumasa Hashimoto Album. Besonders erwähnenswert daraus sind tatsächlich die vielschichtigeren abschließenden Stücke, bei denen er das minimale Muster verlässt, in denen sich die Mellotron-Stimmen einerseits lebhafter, aufbrechender umspielen („Ending“) und zudem die Arrangements vielseitiger und -schichtiger sind („Echo, Echo“). Hinzu kommt als Höhepunkt zum Schluss Hashimotos Inszenierung des „Clair de Lune“, die Sonosuke Takaos Vorführung des gleichen Stücks in der ersten Hälfte des Albums anders akzentuiert und neue Einblicke gewährt.

Die auflösende, befreiende Wirkung dieses abschließenden Dreiklangs soll jedoch nicht nur nicht die Qualität der vorhergehenden Stücke herabwürdigen, nein, vielmehr gewinnt dieser Abschluss seine Intensität erst aus der tiefen Faszination, welche die restlichen Miniaturen auf den Hörer ausüben. Sollte Kurosawas Film nur annähernd die Qualität des Soundtracks erreichen, wird er sicherlich ein cineastischer Höhepunkt des Jahres 2009 werden.

Oliver Bothe

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