Rezension

Justin Townes Earle

Harlem River Blues


Highlights: Harlem River Blues // One More Night In Brooklyn // Workin' For The MTA // Christchurch Woman // Learning To Cry
Genre: Country // Folk // Blues // Rhythm And Blues
Sounds Like: Townes Van Zandt // Johnny Cash // Ryan Bingham // Hank Williams // Willie Nelson //Steve Earle // Langhorne Slim // A.A. Bondy

VÖ: 13.10.2010

Ein Country-Album, das von New York inspiriert wurde – wie soll das denn funktionieren? Justin Townes Earle, Sohn des großen Countrymusikers Steve Earle, macht es uns auf seinem dritten Album vor und zeigt uns, wie schön Country sein kann. Was er hier in einer guten halben Stunde abliefert, ist teils so gut, dass man es selbst kaum glauben mag.

Mit dem Titeltrack „Harlem River Blues“ legt Earle die Messlatte gleich zu Beginn schon reichlich hoch und stellt nebenbei unter Beweis, wie verdammt cool diese Musik klingen kann. „Lord, I'm goin' uptown to the Harlem River to drown / dirty water gonna cover me over and I'm not gonna make a sound” singt er mit einer reifen, eindringlichen und zugleich sehr warmen Stimme, welche die meist lakonische Grundstimmung seiner Songs unterstreicht. Dazu stärkt ihm ein Chor den Rücken, während die Band mit einem lässigen Groove den Song vorantreibt. Am liebsten würde man dieses Lied wieder und wieder hören, doch es gibt noch so viel auf diesem Album zu entdecken. Insbesondere die ausgezeichnete Produktion fällt einem beim Hören von „Harlem River Blues“ schnell auf. „In One More Night in Brooklyn“ ist man ganz nah dran an Justin Townes Earles Westerngitarre. Kein Nebengeräusch entgeht einem – auch nicht, wenn sich nach und nach die weiteren Musiker seiner Band hinzugesellen. Das Schöne an diesem Album ist, dass man nicht nur die Töne hört, welche die Musiker erzeugen, sondern auch, wie sie es tun. Und so sieht man beim Hören von „Harlem River Blues“ immer eine munter zusammenspielende Band vor dem geistigen Auge, was bei den beschwingteren Songs besonders viel Spaß macht. Gerade weil so viel glattpoliertes und überproduziertes Gedudel der Country-Musik einen zweifelhaften Ruf eingebracht hat, ist es immer wieder eine Freude zu sehen, dass es auch anders geht. Justin Townes Earles Songs sind alles andere als karg instrumentiert, haben aber dennoch nicht diesen unangenehm übersättigten Klang.

Bei all den lobenden Worten für die ausgezeichnete klangliche Umsetzung der Songs auf „Harlem River Blues“ darf natürlich nicht vergessen werden, auf das Material einzugehen, um das es hier geht. Was für ein begnadeter Songwriter Earle ist, wird einem im Verlaufe des Albums immer deutlicher bewusst, wenn man sich Song für Song durch dieses Album hört und einer mitreißender als der andere ist, so dass man nach der halben Stunde, wenn das Album mit einer A-capella-Reprise des Titelsongs ausklingt, noch längst nicht genug hat. „Workin’ For The MTA“ spielt mit dem altbekannten Thema des harten Arbeiters und „Wanderin’“ dreht sich um Sehnsucht und Rastlosigkeit, während sich „Learning To Cry“ das Bild des selbstbeherrschten, von Liebeskummer gebeutelten Mannes aufgreift. Earle entzieht sich nicht der Tradition, in der er steht, zeigt sich in seinem Songwriting jedoch so aufrichtig und teilt sich so offen mit, dass man froh ist, dass er es sich nicht nehmen lässt, seinen eigenen Beitrag zu diesem Genre zu leisten.

„Harlem River Blues“ zeigt, wie gut Country-Musik in ihren besten Momenten sein kann und was sie so gut macht. Sie muss schnörkellos und direkt sein, und wenn sie wirklich von Herzen kommt, macht es auch nichts, wenn die Bilder, die in ihr gebraucht werden, weit entfernt von unserem Alltag sind. Letztlich sind es elementare Themen, die jeder von uns kennt. All das Lob und die Auszeichnungen, die Justin Townes Earle in seiner noch jungen musikalischen Karriere bereits bekommen hat, sind absolut verdient. Wer es schafft, den hohen Erwartungen mit einer solchen Leichtigkeit gerecht zu werden, hat noch eine große Zukunft vor sich.

Kilian Braungart

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