Rezension

Jónsi

Shiver


Highlights: Exhale // Wildeye // Kórall // Salt Licorice
Genre: Pop // Ambient // Bubblegum Bass
Sounds Like: Sigur Rós // A.G. Cook

VÖ: 02.10.2020

Schon Jónsis Soloplatte „Go“ spaltete vor gut zehn Jahren die Fangemeinde seiner Hauptband Sigur Rós. Den Einen war die Platte zu poppig und eingängig, die Anderen sahen sie als Musterbeispiel für Weiterentwicklung und Kreativität. Ein Jahrzehnt später setzt Jón Þór Birgisson mit „Shiver“ erneut zu einer Teilung seiner Fanszene an – unter besonderer Mithilfe des PC-Music-Chefs A.G. Cook. Dieser nutzte die Corona-Pandemie nicht nur zur Veröffentlichung seiner beiden Alben „7G“ und „Apple“, sondern produzierte auch „Shiver“ – zum Leid der Einen und zum Wohl der Anderen.

Zu Beginn scheint Jónsi den auf „Go“ eingeschlagenen Weg aus Ambientklängen und poppigen Melodien weiterzugehen. Ob „Exhale“, „Shiver“ oder „Cannibal“, es wirkt vieles wie früher. Die Stimme des Isländers harmoniert auf altbekannte Art und Weise mit der Instrumentierung und baut spannende und schlicht schöne Klangwelten. Doch auch hier finden sich in einigen Momenten Sounds, die irgendwie nicht zu passen scheinen, die unmelodisch wirken, besonders im Hinblick auf Sigur Rós‘ Alben als Gesamtwerke. Hier kommt die Arbeit von A.G. Cook ins Spiel, dessen Album „Apple“ der Deutschlandfunk präzise wie folgt definiert: „Man weiß nicht so richtig, ob das Pop ist – oder die Karikatur von Pop.“

Cooks Einfluss lässt sich am besten an „Kórall“ erkennen, einem mehr als sechsminütigen Song, in dessen Verlauf immer wieder PC-Music-charakteristische Brüche und Kehrtwendungen zu finden sind, die weitaus besser zur Experimentierfreudigkeit Jónsis passen, als es im ersten Moment den Anschein machen dürfte. Die verzerrten Bubblegum-Bass-Elemente, die sich irgendwo zwischen Krach, Trance und Pop ansiedeln lassen, werden dabei so dosiert, dass sie perfekt in das Gesamtkonzept des Albums passen und ein befürchteter musikalischer Flickenteppich ausbleibt.

Einige Sigur-Rós-Fans dürfte das Ganze nicht abholen, der Zug ist aber schon seit der Veröffentlichung von „Go“ abgefahren. Das ist schade, denn die PC-Music eigenen, unorthodox wirkenden Klänge mögen den einen oder anderen abschrecken, nehmen bei genauerer Betrachtung jedoch weitaus weniger Platz ein als erwartet. Viel eher sind sie ein weiterer passender, spannender Schritt in Jónsis Entwicklung.

Lewis Wellbrock

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