Rezension

Jaguar Love

Take Me To The Sea


Highlights: Highways Of Gold // Bats Over The Pacific Ocean // Georgia // The Man With The Plastic Suns
Genre: Rock
Sounds Like: Blood Brothers // Les Savy Fav // Neon Blonde

VÖ: 15.08.2008

Schon witzig, wie relativ man manche Sachen sehen kann. Beispiel: Das Promoblatt, im elitären Fachjargon auch "Waschzettel" genannt, zum Jaguar-Love-Debüt "Take Me To The Sea". Denn während der noch von den Blood Brothers bekannte Frontmann Johnny Whitney dort recht blumig als "außergewöhnlicher Sänger" bezeichnet wird, könnten hier sicherlich auch etwas weniger freundliche Bezeichnungen angebracht werden. "Schreihals" in etwa. Oder "Mischung aus einer Katze, die lebendig gehäutet wird, einem Bauarbeiter, der sich aus Versehen die Kreissäge über die Klöten jagt und einem Arschlochkind, das an der Supermarktkasse nach einem Überraschungs-Ei quengelt." Oder einfach: Der Hauptgrund, warum jede Behauptung, Jaguar Love seien "poppiger" als zuvor die Blood Brothers, eigentlich kompletter Bockmist ist.

Schließlich ist die Regel, dass eine popmusiktaugliche Stimme dem menschlichen Durchschnittsgehör zwar nicht unbedingt schmeicheln muss, aber es zumindest nicht anpöbeln sollte, bisher eigentlich nur von Billy-Talent-Frontverbrecher Ben Kowalewicz erfolgreich gebrochen worden. Dafür sind es dann andere Versatzstücke von „Take Me To The Sea“, die auch in Alternative-Radio-Kontexten kaum negativ auffallen würden. Orgel und Melodie in „Georgia“ etwa, das schon fast Ballade genannt werden kann, und mit fast schon liebesliedartigen Textzeilen wie "Georgia, can you feel my heart explode?" zudem eine zumindest teilweise Abkehr von den Hobbyinterpreten gerne überfordernden Metaphernwulsten früherer Blood-Brothers-Alben darstellt. Auch das finale „My Organ Sounds Like“ schlägt den Pop-Appeal eigentlich nicht sofort in die Flucht, und „The Man With The Plastic Suns“ dürfte ein potentieller Ausdruckstanzhit für die Punkdisco sein.

Doch dass eine Band, in der ein Gitarrist wie Cody Votolato seine Finger im Spiel hat, den musikalischen Wahnsinn komplett aus ihrem Repertoire verdrängt, ist ungefähr so wahrscheinlich wie die Aussicht, dass sich Johnny Whitney einmal etwas Vernünftiges mit seinen Haaren anfängt. So beginnt „Vagabond“ mit einem Schlagzeugspiel, das die Frage aufwirft, ob sich da gerade zwei Schlagzeuger an einem gleichzeitigen Solo auf dem selben Drumset versucht haben, „Antoine And Birdskull“ versucht gar nicht erst, seine temporäre Geisteskrankheit zu unterdrücken und auch darüber hinaus ist erfreulich, wie viele der Stärken der viel betrauerten Blood Brothers Whitney und Votolato in ihre neue Band herüber gerettet zu haben scheinen.

Wer also den Gesamteindruck, den „Take Me To The Sea“ hinterlässt, in Worte fassen will, könnte beispielsweise von „Blood Brothers für Warmduscher“ sprechen. Aber eben auch von „Alternative Rock für Genießer“. Alles relativ eben.

Jan Martens

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