Rezension

Intronaut

Habitual Levitations


Highlights: Killing Birds With Stones // The Welding // Sore Sight For Eyes
Genre: Prog-Metal // Post-Metal
Sounds Like: Baroness // Mastodon // Pelican // Meshuggah // Isis

VÖ: 15.03.2013

Oben im Olymp des modernen Metal erhält nicht jeder Einlass. Etwas merkwürdig muss man erstmal sein, um überhaupt die Mitgliedskarte für diesen Club beantragen zu dürfen. Man blicke nur mal auf die Gestalten, die's schon hinein geschafft haben: Ein zerstreuter, nervöser Professor (Mastodon), ein Koloss mit Samthänden (Isis), ein Waldschrat in schwarzer Kutte (Opeth) oder ein weiser Eigenbrötler mit Denkerbart (Tool). Aber siehe da: Es klopft mal wieder an der Tür.

In der Lobby hängt da gerade so ein Typ rum. Dem ersten Anschein nach Dauer-Backpacker, so mit großem Rucksack, massig Bartwuchs und Sandalen. Ins Profil scheint er nicht so ganz zu passen. Aber gibt's das überhaupt? Eben. Und deshalb könnte das mit Intronaut klappen. Mit "Habitual Levitations" im Gepäck hätten Intronaut jedenfalls die Clubkarte verdient. Es ist das klügste, umsichtigste Metal-Album seit Jahren.

Intronauts vierte Platte ist die oft beschworene Wollmilchsau, die Eier legt. Nichts, was sie nicht kann, kein Freund der härteren Gangart, den sie nicht bedient. Zum Sterben schöne Post-Rock-Parts (die letzte Hälfte von "Killing Birds With Stones") fließen wie selbstverständlich in psychedelische Strudel ("The Way Down") – oder gar lupenreinen Jazz wie im verkopften Schluss von "Harmonomicon". Jazz? Ja, kein Scherz. Vermutlich einfach nur, weil diese Vier es können.

Allein technisch ist das hier die Champions League des Metal. Statt sich darüber aber mental einen runterzuholen, komponieren Intronaut lieber ausgefuchstes Songgut. Mit Harmonien, die Konventionen den Kampf ansagen, und Polyrhythmen, die das Mitwippen zur Denksportaufgabe machen. Gleichzeitig haben die Amerikaner hier immer wieder Parts auf Band gebannt, die vor allem nach einem klingen: Jammen, Jammen, Jammen.

Hart ist "Habitual Levitations" nur in Momenten. Wie zum Beispiel "The Welding". Dessen Ausbruch gegen Ende boxt derart wuchtig auf die Magenkuhle, dass nicht nur die Galle hochsteigt, sondern auch die Tränen in die Augen. Stattdessen lassen sich Intronaut auch mal zur ganz großen Melodie hinreißen – wie in "Sore Sight For Eyes", dem zentralen Moment dieser Platte. Da wird klar: Sascha Dunables Stimme ist nicht nur Beiwerk – der Mann hat sein Organ geschult.

Geht's in der Metal-Gemeinde gerecht zu, wird Intronaut oben im Olymp Einlass gewährt. Allein schon wegen ihrer Eigenständigkeit. Die Koordinaten an Bandnamen unter "Sounds Like" treffen auch alle nur die Peripherie dieser Band. Intronaut sind Intronaut. Eine Band, die genug Hirnschmalz, Visionen und Können mitbringt, um da oben mit der Elite abzuhängen. "Habitual Levitiations" ist ein eindrucksvolles, dynamisches, verspieltes, umsichtiges Meisterwerk. Eine neue Mitgliedskarte, bitte!

Gordon Barnard

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Video zur ersten Single "Milk Leg"

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