Rezension

International Pony

Mit Dir Sind Wir Vier


Highlights: Gothic Girl // Solid Gold (The Lost Version) // The Royal Pennekaums
Genre: Electronica
Sounds Like: DJ Koze // Pizzicato Five // Air

VÖ: 01.09.2006

Ups. Was ist das denn? „Mit Dir Sind Wir Vier“, der Zweitling von International Pony stellt den Hörer schon vor das eine oder andere Problem. Schlecht finden kann man ihn nicht, aber die erhofften Begeisterungsstürme bleiben noch viel mehr aus. So aus dem Bauch heraus würde ich DJ Koze, Cosmic DJ und Erobique unterstellen, sie verfolgen mit diesem Album zwei Ziele – na ja, eigentlich nur eines: „Leute, lasst uns in Frieden, wir wollen keine Superstars sein, auch keine Underground-Superheroes; und liebe Plattenfirma Sony BMG, drop uns, schmeiß uns raus, bitte!“

Dieser Eindruck ergibt sich daraus, dass ich meine eigenen – überhöhten – Erwartungen auf Euch da draußen und auf die Plattenfirma projiziere. Erwartungen, die mindestens drei absolute (Disko-)Knaller unter den zwölf Tracks fordern. Und die bleiben (leider) aus. Schrauben wir diese Ansprüche zurück, dann erblicken – äh hören – wir ein überzeugendes und gutes Album, auf dem die drei Ponys weitermachen, wo sie auf „We Love Music“ aufgehört haben, bzw. wo Cosmic und Koze schon mit dem zweiten (ein böses Omen?) Fischmob-Album und den darum entstandenen Singles und EPs angekommen waren. Auch Kozes Remix-Album „Music Is Okay“ passt in diese Reihe.

Alles zielt ein bisschen weniger auf die Zwölf, ist zurückgeschraubt. Einige „beats per minute“ mehr hätten Tracks wie „Bubble in the Bottle“ oder dem Albumvorboten „Gothic Girl“ aber auch dem Opener „Solid Gold“ nicht geschadet. Selbst „The Royal Pennekaums“ – der Track mit den vielleicht offensivsten Beats – kommt eher zahm daher. Negativ formuliert präsentieren uns die Ponys mit diesem Album German-Chill-Out-Funk oder auch Fahrstuhlmusik, positiv formuliert ist es – wie „So This Is Goodbye“ von den Junior Boys - eine Platte zum durch die Nacht Fahren, zum Cruisen, zum Reisen. Allerdings immer mit einem Grinsen auf den Lippen, … schon beim Anblick der Power Rangers Verschnitte auf dem Cover kann ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Der Wahnsinn, der hier aus fast jedem Takt rausguckt, manifestiert sich vor allem in der Koze/Cosmic-typischen Produktion der Vocals. Beide DJs lieben es, Stimmen zu verzerren, zu verquietschen und mit elektronischem Helium aufzupumpen – also durch den Vocoder zu jagen – was bei Cosmics Gesang zu einem verqueren, aber doch sanften Soul führt, der die Out-of-Space-Attitüde der „Galaxy“ Ponys betont. Besonders verrückt kommen „Vodka Biene“ und „Gonzos Grill Party“ daher, die kaum mehr als Komik-Tracks sind – wie man sie von „Power“, dem zweiten Fischmobwerk, kennt – wobei zumindest die Muppets-Party tatsächlich auch als Song funktioniert, als Swing-Funk.

Zu diesen auf den Spaß fixierten Tracks gesellen sich die seicht dahin cruisenden und fließenden Stücke, wie „Velvet“ – der einen samtig weich umschmeichelt, wie es auch die Air’sche Musik tut – die „Lost Version“ von „Solid Gold“ – bei dem mindestens drei Spuren stilistisch mit einander konkurrieren – dem Streichelzoo (so die Info) von „Still so Much“ und dem Sandmännchen-Sound von „Gravity“. Das dritte Standbein des Albums sind die – eher zart als hart – antreibenden Stücke, die uns schon der Opener „Solid Gold“ anzukündigen scheint: „Sweet madness, here we go again.“ Da drückt im Hintergrund ein Beat, den die Ponys einfach nicht nach vorne kommen lassen. Dazu gehört „Bubble In The Bottle“, der in der Tradition von „Leaving Home“ steht; wo dieser aber mit Wolfsgeheul losspringt, platzt die Blase beim Verlassen der Flasche ohne großen Lärm. Auch „Gothic Girl“ – jener amüsante Konflikt zwischen Goth und Soul – schiebt durchaus, eignet sich aber eher zum Engtanz als zum Rumzappeln. Die Möglichkeit zu Tanzen eröffnen so wirklich nur „The Royal Pennekaums“ – schön houseig – und „Our House“ – den Kenner schon 2005 als Electro-Tech-Single gehört haben. Selbst die beiden brauchen aber zur echten Begeisterung noch eine Runderneuerung.

Alles in allem sind die besten Stellen, wenn bei „Velvet“ das 56K-Modem versucht, Verbindung aufzunehmen, und wenn, an verschiedenen Stellen, plötzlich der Gesang – mit Kopfhörern gehört – von jemandem direkt hinter Dir angestimmt wird. Das sind die bemerkenswerten Momente, dass das Album trotzdem wirklich nett, schön, toll, fluffig, kuschelig, luftig, leicht … ist, ergibt sich aus dem Vermögen der drei kleinen Pferde, dieser so harmlosen Musik eben dies zu geben: Sie ist kuschelig, sanft und einschmeichelnd. Beim ersten Hören mag man enttäuscht sein, später ist man süchtig. Es ist also doch wahr: „Tonight my Pony rides again!“

Oliver Bothe

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