Rezension

Ibrahim Lässing

Kaugummiautomat


Highlights: Der Erste Heiße Tag Im Jahr // Ich Will Nicht Mehr So Viel Schimpfen Müssen, Baby
Genre: Rock
Sounds Like: Weezer // Wizo

VÖ: 08.05.2015

Wenn ein Lied mit den Worten „Kleine dicke Fünftklässler sitzen im Schulbus // und malen mit Filzstift Pimmel auf die Rückenlehnen“ anfängt, dann braucht man normalerweise überhaupt nicht weiterhören. In ca. 90% der Fälle kommt eh nichts Gescheites dabei raus. Aber manchmal, in wenigen Ausnahmefällen, kommt da jemand und schafft es, so eine Zeile als Einstieg in einen richtig guten Song zu nutzen. Einer von ihnen ist Ibrahim Lässing.

Dem Regensburger gelingt auf seinem Minialbum „Kaugummiautomat“ tatsächlich noch eine ganze Menge mehr, aber seine Glanzleistung ist es eindeutig, Strophen über Dinge wie Vandalismus im Schulbus, missglückte Skateboard-Stunts und trinkende Rentner zusammen in das wunderbare „Der erste heiße Tag im Jahr“ zu verpacken. Das Lied fetzt und bleibt gut im Ohr, ohne aber wie der normale Sommerhit aus dem Radio schnell an den Nerven zu zehren. Das liegt nicht nur daran, dass Lässing sich eben keiner gängigen Sommer-Klischees bedient, sondern gekonnt den echten Sommer auf Band zu zaubern vermag – und der besteht hierzulande eben nicht aus Sangriasaufen am Strand und Bikinihäschen unter Palmen. Sommerhitze in Deutschland ist eigentlich eher schwitzig, klebrig und anstrengend, wenn man mal ehrlich ist. Dass Ibrahim Lässing auf fette Schrammelgitarren statt auf Autotune sezt, dürfte auch ein bisschen mit dem niedrigen Nervfaktor zu tun haben. Jedensfalls bockt das Lied und auch die ganze Platte mit jedem Hören mehr.

Als eine Art zorniger Rivers Cuomo mit Anleihen bei deutschen Punkern rechnet Ibrahim Lässing außer mit dem Sommer auch mit nervtötender Leichtgläubigkeit ab („Rasenmähermann“), betont aber andererseits, dass er eigentlich keine Lust hat, sich immer nur aufregend zu müssen („Ich will nicht mehr so viel schimpfen müssen, Baby“). Versöhnlich ist hingegen die Ode an den heimischen „Badeweiher“ und auch das kleine bisschen Herzschmerz („Kleiner Gatsby“) bekommt auf „Kaugummiautomat“ seinen Platz. Dabei gelingt es Lässing immer sehr gut, links und rechts allen textlichen Stereotypen auszuweichen und eine Platte zu schaffen, die zwar abwechslungsreich ist, aber ein sehr kompaktes Ganzes bildet. Nur einmal tappt er doch in die Falle, nämlich wenn in „Studentenmädchen“ in den plattesten Klischees Beschwerden über angeblich typische Studentinnen geäußert werden. Dabei ist auch dieses Lied eigentlich toll: schön eingängig und herrlich wütend – nur leider inhaltlich voll daneben. Doch das soll den extrem positiven Eindruck, den dieses Debüt beim Hörer hinterlässt, nicht allzu sehr trüben. Stattdessen weckt „Kaugummiautomat“ die Ungeduld auf ein vollwertiges Album und das unbedingte Bedürfnis, den Herrn Lässing einmal live zu erleben. Sieben Lieder in knapp 18 Minuten sind einfach nicht genug.

Lisa Dücker

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