Rezension

I'm from Barcelona

Who Killed Harry Houdini?


Highlights: Paperplanes // Headphones // Rufus
Genre: Pop // Folkpop
Sounds Like: The Polyphonic Spree // Beach Boys // Friska Viljor

VÖ: 19.09.2008

Aufstand unter'm Weihnachtsbaum: Die fünfjährige Britney-Jacqueline heult, zickt, schreit sich die Seele aus dem Leib und lässt jegliche Tröstungsversuche der überforderten Mutter an sich abprallen. Auslöser der Advents-Agonie: Neben diversen Spielzeugen, Süßigkeiten und Omma Ernas selbstgestrickten Socken lag eine Ballerina-Barbie unter'm Weihnachtsbaum - und nicht etwa die gewünschte Zauberschloss-Barbie. Verständlich, dass solch ein unfassbares Abweichen von Wünschen und Erwartungen einem kleinen Kind auch schon mal den schönsten Tag des Jahres vermiesen kann. Doch zum Glück erreicht man irgendwann ein Alter, in dem man nicht mehr beleidigt ist, wenn man nicht genau das bekommt, was man erwartet. Oder?

Musikliebhaber mögen hier eine Ausnahme sein. Denn auch wenn allgemein der Spruch "Stillstand ist Rückschritt" abgefeiert wird, ist so mancher dann doch nicht wirklich erfreut, wenn eine Band auf Album #2 etwas anderes macht, als Album #1 einfach leicht variiert noch einmal aufzunehmen. Aktuellstes Beispiel: "Who Killed Harry Houdini?", Zweitwerk der Nicht-Spanier-sondern-Schweden von I'm from Barcelona. Das Debüt: Ein Album, das nicht nur klang wie die perfekte Untermalung eines Kindergeburtstages, sondern auch, als wären zumindest die Texte auf einem solchen geschrieben worden. Baumhäuser, Windpocken und ähnliche Themen wurden dort besungen, auf Songs, die den Glauben erweckten, die Beach Boys hätten sich in's dritte Schuljahr zurück teleportiert.

Kurz gesagt: Ziemlicher Kinderkram, aber genau deswegen toll und für den Rezensenten der Grund, mit leuchtenden Augen dem Nachfolger entgegen zu fiebern. Nach der Vorabsingle "Paper Planes", die auch von der Barney-The-Dinosaur-Big-Band hätte verfasst werden können, wurde jenes Leuchten dann noch um mehrere Candela (für Nicht-Physikstreber: Einheit für Lichtstärke) intensiviert. Leider wirkt ein Großteil des Albums zumindest als Dimmschalter.

Was ist anders? Es ist immer noch Pop, es ist immer noch folkiger Pop mit recht simplen Texten, es ist immer noch folkiger Pop mit recht simplen Texten und Unmengen von eingesetzten Instrumenten. Doch fehlt vielen der Stücke - vom schnarchigen "Gunhild" über das ZU sehr Geschunkel initiieren wollende "Ophelia" - einfach dieser (Der Heiermann wird gerne in die Schmalzkasse gesteckt) "Zauber", diese Eingängigkeit des Debüts, und nach dem anscheinend gemachten Versuch, etwas "düsterer" und "ernster" zu klingen, bleiben so häufig nur relativ durchschnittliche Folkpopstücke übrig. Wer aus der Fanta den Zucker und die Kohlensäure extrahiert, mag ein gesünderes Produkt schaffen - aber da kann man auch gleich richtigen Orangensaft trinken.

Doch wie aufmerksame Leser schon an den ausgefüllten drei Balken neben dem CD-Cover bemerkt haben werden, hat natürlich auch "Who Killed Harry Houdini?" wieder seine Highlights, die so schön an den Vorgänger erinnern. Lieder wie das bereits erwähnte "Paper Planes" eben, oder "Headphones" oder "Houdini", die live wieder von einer euphorischen zwanzigköpfigen Band und noch viel mehr glücklichen Konzertbesuchern mitgesungen werden, während eimerweise Konfetti durch die Luft wehen. In solchen Momenten wird man sich dann wieder wie ein Kind zu Weihnachten fühlen. Auch ohne Zauberschloss-Barbie.

Jan Martens

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