Rezension

HGich.T

Mein Hobby: Arschloch


Highlights: Der Geile Max // Harz For // Franz Kafka // Die Geile Wiebke
Genre: Quatsch // Unsinn // Kunst
Sounds Like: Fledermannkackaffen

VÖ: 16.07.2010

Kleiner sprachhistorischer Exkurs: „Kunst“ kommt ja eigentlich von „Können“. Interessant sicherlich im Kontext eines modernen Kunstverständnisses – so wird mittlerweile ja fast alles gerne als Kunst bezeichnet, das kreativen Köpfen zuvor vielleicht einfach nur zu blöd war. Auch Musikfreunde mögen sich vielleicht fragen, wieso beispielsweise die Kassierer diversen Indizierungsanträgen dadurch entkommen sind, dass sie vor Gericht ebenfalls den rettenden Kunst-Stempel aufgedrückt bekamen – aber die können wenigstens Fäkal- und Fickhumor in 1001 verschiedenen Musikrichtungen verstecken. Vielleicht noch schwieriger ist allerdings folgende Frage zu beantworten: Was, zum Teufel, können HGich.T eigentlich?

Irgendetwas muss es ja sein, das die Hamburger Kulturenklave Kampnagel dazu bewegt, jenem merkwürdigen Pack seit Jahren eine Heimat zu geben und sie gar auf verschiedene nationale Theaterfestivals loszulassen. Mögliche Antwort: Gute Kunst darf gerne provozieren und polarisieren, und so schwanken Meinungen zu HGich.T-Performances, inklusive das Publikum anbölkenden Sängern und Tänzern in Windel und Rettungsweste, gerne zwischen „Größter Scheiß aller Zeiten“ und „Größter Scheiß aller Zeiten, aber verdammt witzig irgendwie“. 

Auf den Tonträger gebannt ist zumindest dieses Gefühl, dem Wahnsinn unmittelbar und lebensbedrohlich ausgesetzt zu sein, passé, was noch intensiver über den Sinn von Songs mit lieblichen Titeln wie „Die Affengeile Klopapiernummer“ und „Tripmeister Eder“ nachdenken lässt. Solche stumpfen, monotonen Beats (Paradebeispiel: „Harz For“) könnte wahrscheinlich auch ein Schimpanse noch komponieren, wenn man ihn vorher einer Lobotomie unterzieht – das kann's also nicht sein. 

Bleiben die Texte – im Gegensatz zu Live-Auftritten nicht nur voller Hass ins Mikro gebrüllt, sondern meistens emotionsneutral und hin und wieder gar von einer Frau gesung.....naja, vorgetragen. Das ändert natürlich auch wenig daran, dass der Inhalt von „Hauptschuhle“, des „Hits“ von HGich.T, bei Licht betrachtet einfach nur bescheuert ist. Einfach wäre es, diese Einschätzung auch sofort auf die anderen zwölf Stücke auf „Mein Hobby: Arschloch“ auszuweiten. Will sich allerdings der wild gewordene Hermeneutiker austoben, kann dieser eine relativ konsequente Methode erkennen: Die Bearbeitung aktueller, teils durchaus seriöser Themen und Verhaltenweisen dadurch, dass diese vollkommen ins Lächerliche gezogen werden. Häusliche Gewalt – harter Tobak, aber dennoch eine witzige Vorstellung, wie ein zorniger Vater die durch ihr drittes Auge flüchtende Tochter auf dem Besenstiel verfolgt und mit dem Rohrstock mitten auf den Arsch haut, weil sie zu fett ist („Die Geile Wiebke“). Verwöhnte Muttersöhnchen – unmöglich, dass diesen nicht wirklich manchmal ein Mama, ich muss A-A, kommst du mal rüber? über die Lippen kommt („Der Geile Max“)? Und wer weiß, ob man in eine Analyse des Songs über Franz Kafka, der laut HGich.T in den Bergen wohnt, nach Sauerkraut riecht und beim Diktat abmalt („Franz Kafka“), nicht auch unauffällig den Begriff „Dekonstruktion“ einschieben könnte?

Alles denkbar, aber im Endeffekt ist „Mein Hobby: Arschloch“ dann wahrscheinlich doch nur eins: Ein entweder überhaupt nicht oder in jeder Sekunde perfekt durchdachtes Werk, mit dem man zumindest super auf Parties andere Gäste nerven kann. „L'art pour l'art“ eben. Künstlerschweine, Künstlerschweine, ja, ich breche euch die Beine heißt es treffend in einem Stück, das man wahrscheinlich die Ballade des Albums nennen müsste, und was soll man sagen – packt euch mal an die eigene Nase, ihr Freaks.

Jan Martens

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