Rezension

Harmonic 313

When Machines Exceed Human Intelligence


Highlights: Word Problems // Cyclotron // Falling Away
Genre: Electro // Progressive HipHop
Sounds Like: Flying Lotus // Portishead // Squarepusher // J. Dilla // Madlib

VÖ: 06.02.2009

Die Aliase und Projekte von Mark Pritchard reflektieren die existierende Zahl von Spielarten elektronischer Musik. Entsprechend vielseitig gestalten sich die Variationen dieser Projekte. Von Link über Reload, Troubleman, Global Communication zu Jedi Knights widmet er sich all dem, was zwischen Techno, Minimal, UK-Elektro, Breakbeats und Ambient Platz findet. Seine aktuellsten Kampfnamen im DJ-Geschäft beschränken sich auf Troubleman und Harmonic 313. Als Troubleman liefert er Sets, die zum Großteil aus den 60ern bis 80ern schöpfen und eher tanzbare „Folklore“ (Calypso, Reggae, …) sowie Jazz, Funk und ein wenig langsamen House beinhalten, Harmonic 313 wiederum widmet sich HipHop zwischen Jay Dilla und Flying Lotus, Dubstep, frühem Jungle, noch früherem Dancehall und Detroit Techno oder Acid aus den 80ern und 90ern.

Diese Beschreibung der Sets von Harmonic 313 gibt bereits eine gute Ahnung von dem, was Pritchard als Harmonic 313 in Albumform präsentieren könnte: intelligente Tanzmusik, die eben eigentlich nicht tanzen lassen will, sondern sich als Erforschung neuer Klangräume versteht. Das Album „When Machines Exceed Human Intelligence“ windet sich zwischen den beiden Polen Detroiter Musik (das 313 bezieht sich auf die Vorwahl der amerikanischen Metropole) und erkundet so die beiden voneinander durchaus abhängigen Klangräume eines HipHops Marke J. Dilla und des klassischen Detroit Techno. Die Summe, die Schnittmenge, die Harmonic 313 definiert, zeigt sich als in der Vergangenheit – genauer, den Teenager-Jahren – elektronischer Musik in den 80ern und frühen 90er Jahren erdachte Zukunftsvision eines progressiven HipHop-Instrumentals. So schließt die Veröffentlichung von „When Machines Exceed …“ auf Warp nahtlos an Flying Lotus' „Los Angeles“ an. Das Album bleibt jedoch hinter dessen visionärer Kraft zurück, ohne aber zu enttäuschen.

Klangästhetisch beschränkt sich Pritchard auf die elektronischen Möglichkeiten der 80er Jahre. Er verleiht so der Mehrzahl der Tracks einen blubbernd-treibenden Charakter, der zwischen maschinellem Großindustriepochen und ehemals dystopischen Zukunftsvisionen pendelt – was bereits der Titel andeutet. „When Machines Exceed …“ wurzelt so in einer altmodischen Vorstellung elektronischer Musik, transportiert diese aber durch die Geschichte des Genres in die Gegenwart und überbrückt sie bis in die Zukunft. Die Verankerung im HipHop-orientierten Beat bewirkt diese ausblickende Komponente. Diese Klammer verdeutlicht am besten die offenherzige, menschlich warme – und so den Albumkontext aufreißende – Soul-Step-Nummer „Falling Away“, die Steve Spaceks Gesang darbietet, und der klassische HipHop-Track „Battlestar“ unter Mitwirkung von Phat Kat und Elzhi. Letzteren platziert Pritchard strategisch genau in der Mitte des Albums zwischen den beiden basslastigen HipHop-Theorie-Stunden „Word Problems“ und „Cyclotron C64 SID“. Wo „Cyclotron …“ eine Miniatur aus historischen Computerspielklängen ist, verbindet „Word Problems“ klare Beatstrukturen mit den monotonen Instruktionen früher Sprachprogramme.

Die HipHop-Komponente offenbart sich durch die mit Vocals versehenen Tracks, wäre ohne diese zwar nicht vollkommen unerkennbar, doch bliebe ohne sie der Einfluss dieses Genres eher hintergründig. Er würde verdeckt werden von den vertrackten Beatstrukturen in Tracks Marke „Köln“ oder „Galag-A“, von schmerzenden Schlägen der Laserpeitsche in „No Way Out“, von flirrenden Synthie-Mustern im eröffnenden „Dirtbox“ und dessen Dubstep-Anklängen, die auch das nachfolgende „Cyclotron“ zu Tage trägt. Die Vielseitigkeit des Albums ist dennoch vielleicht sein größter Schwachpunkt. Zu offensichtlich erscheinen zunächst die vielen Ideen, zu sehr ermüdet ihre Vielzahl, strengt das Wechselspiel aus immer neuen (altmodischen) Computersounds und häufig doch eher subtilen Beats an. Die positive Langzeitwirkung ergibt sich erst, wenn die wiederkehrenden Muster gefunden sind und wenn der eigene Körperrhythmus sich dem Vibrieren der manchmal kaum wahrnehmbar tiefen Bässe angepasst hat.

Oliver Bothe

Finden


Bye-Bye



Am 5. Januar 2021 haben wir éclat eingestellt. Mehr Infos hierzu gibt es auf unserer Startseite!