Rezension

Hans Unstern

The Great Hans Unstern Swindle


Highlights: Entweder&Oder // Mit Schwarzen Lippen Sitzen Wir Hinten // Bea Criminal
Genre: Singer/Songwriter // Indie-Pop // Experimental
Sounds Like: Die Goldenen Zitronen // Einstürzende Neubauten // PeterLicht // JaKönigJa

VÖ: 26.10.2012

Hans Unstern ist ein Fuchs. Da lässt er uns mit „Kratz Dich Raus“ lange Zeit im Glauben, der interessanteste deutsche Songwriter der letzten Jahre wäre ein introvertierter Mann, der seinen Bart nicht zur Schau trägt, sondern vielmehr, um sich dahinter zu verstecken. Und dann erwischen einen bereits die ersten Takte von „Ich Schäme Mich“ auf dem völlig falschen Fuß. Maultrommel, Tuba, ekstatisch weibliche „Yeaaaaaaaaaaaaaaaah“s: Die bisher unter dem Deckmantel der Lyrics etwas geheim gehaltene Schrägheit wird unverhohlen in den Vordergrund gezerrt. Ist das etwa ernst gemeint oder alles wirklich nur „The Great Hans Unstern Swindle“, wie uns der Titel der neuen Platte weismachen möchte?

Um es gleich zu sagen: diese Frage wird auch nach dem zigsten Durchlauf des Albums niemand beantworten können. Hans Unstern bleibt ein Mysterium, wenn auch ein gänzlich Anderes als vor dem „Schwindel“. Aus dem Mann mit den tiefgründigen (sprich „rätselhaften“) Lyrics ist ein Mann mit tiefgründigeren (sprich „noch rätselhafteren“) Lyrics und unberechenbarer Musik geworden. Die acht Songs sind eine wilde Achterbahnfahrt am Rande des Wahnsinns. Im Dunkeln wohlgemerkt. Denn niemals weiß man so genau, in welche Richtung es als nächstes geht, welchen Einfall der immer kreative Geist Unsterns nun wieder aus dem Hut zaubert.

Bestes Beispiel ist „Mit Schwarzen Lippen Sitzen Wir Hinten“. Treibend geht es mit Steel-Drums und Kontrabass nach vorne, bevor dann auf einmal plötzlich mit pathetischer Bläserummalung das Tempo rausgenommen wird, nur um dann abschließend mit „Lalala“-Chören einen waschechten Ohrwurm einzupflanzen. Songs wie „Entweder&Oder“ und „Ergiebig Und Erschwinglich“ schlagen in eine ähnliche Kerbe. Das ist toll und das ist vor allen Dingen spannend. Spannend sind auch wieder die Texte von Hans Unstern. Auf den ersten Blick meist völlig zusammenhanglos und verquer, ergeben sie bei genauerer Betrachtung trotzdem immer einen Sinn und sind so auf ihre ganz eigene Art und Weise einzigartig.

Bedauerlicherweise verkommen die tollen Texte ab und an als Mittel zum Zweck („Unbekannte Datei“) oder sie gehen in der über das Ziel hinaus schießenden Kauzigkeit des Hans Unstern unter („Posterboy“). Besonders in der zweite Albumhälfte gibt es einige Songausfälle zu beklagen, die zum Glück durch das überragende „Bea Criminal“ als Abschlusstrack etwas kaschiert werden. Vielleicht hätte etwas Understatement das zweite Album von Hans Unstern auf das Niveau seines Vorgängers gehievt.

Benjamin Köhler

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