Rezension

Handsome Furs

Sound Kapital


Highlights: Damage // Memories Of The Future // Cheap Music
Genre: Dark Wave // New Wave // Synthie Pop
Sounds Like: Cold Cave // New Order // Wolf Parade

VÖ: 08.07.2011

Zwei Dinge betont Dan Boeckner in jedem Interview zum neuen Handsome-Furs-Album „Sound Kapital“. 1) „Sound Kapital“ wurde vollständig am Synthesizer komponiert und enttäuscht damit wohl jeden, der in dieser Platte einen Ersatz für Boeckners fristlos auf Eis gelegte Hauptband Wolf Parade gesehen hat. 2) „Sound Kapital“ soll der Welt zeigen, dass Dark-Wave nicht zwingend kalt, entfremdet und gefühllos klingen muss. Ambitionierte Worte für ein ursprüngliches Nebenprojekt.

Dabei waren Alexei Perry und Dan Boeckner eigentlich immer die Exoten unter den musizierenden Ehepaaren. Verglichen mit trällernden Schnuckeln wie den Mates Of State, Yo La Tengo oder Arcade Fire fiel es schwer zu glauben, dass die beiden sich ernsthaft über den Abwasch oder darüber, wer die Kleinen aus dem Sportverein abholen wird, unterhalten würden. Dreckige Leidenschaft statt goldenem Herd. War das Projekt noch 2007 mit der Veröffentlichung des Debuts „Plague Park“ stark von Wolf Parade geprägt und versuchte, Indie-Heimeligkeit in einen elektronischen Kontext einzubetten, änderte sich 2009 mit „Face Control“ alles: Die Handsome Furs entdeckten die synthetische Kälte. Und mit der Zimmertemperatur fielen dann auch sämtliche Hüllen: Höhepunkt dieses Albums war die verzerrte, sexuell angespannte Singleauskopplung „I'm Confused“. Und an diese knüpft „Sound Kapital“ nicht nur optisch durch sein strenges Akt-Cover an.

Dabei beginnt das Album mit „When I Get Back“ recht handzahm. Dan Broeckner hält sein Versprechen und liefert emotionale elektronische Musik – etwas, das New Order unglücklicherweise schon vor fast 30 Jahren auf „Low Life“ und „Brotherhood“ perfektioniert haben. Und hier zeigt sich bereits das Hauptproblem von „Sound Kapital“: Die einzelnen Songs sind liebevoll geschrieben, druckvoll und spannend produziert, allerdings kann die versprochene Revolution gar nicht stattfinden, weil sie schon längst etabliert ist. Der Break in „Memories Of The Future“, die stampfende Introspektion von „Serve The People“ und sogar die plakative Poppigkeit von „What About Us“: Irgendwie gefällt das alles, ohne wirklich zu begeistern. Natürlich will „Sound Kapital“ Hommage an die Achtziger sein, doch abgesehen von der sich überschlagenden, hysterischen Stimme von Dan Broeckner ist die Grenze zum Plagiat hauchdünn.

Paradoxerweise funktioniert „Sound Kapital“ dann am besten, wenn wie bei „I'm Confused“ auf sämtliche Gefühlsduselei verzichtet und erbarmungslos losgeknüppelt wird. „Damage“ zum Beispiel ist solch ein schonungsloser Egotrip, welcher durch seine Kälte eine eigenartige Faszination heraufbeschwört. Auch „Cheap Music“ ist durch entfremdete Gitarren und starre Rhythmik gleichzeitig schroff und anziehend. Lieber Dan: Hör dir fürs nächste Album bitte nochmal dein Mantra aus dem Schlusslied „No Feelings“ an und lass die anderen jammern. Dann klappt es auch mit der Emanzipation des Nebenprojekts.

Yves Weber

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Musikvideo zu "What About Us"

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