Rezension

Guillemots

Through The Windowpane


Highlights: Made- Up Love Song #43 // Trains To Brazil // Redwings // If The World Ends
Genre: Artpop
Sounds Like: Ed Harcourt // Rufus Wainright // Duke Special

VÖ: 26.09.2006

Das passiert also, wenn vier Menschen mit völlig unterschiedlichem geografischen wie musikalischen Hintergrund aufeinander treffen und eine Band gründen. Anspruch und Eingängigkeit steigen gemeinsam in den Ring und verlassen ihn nach 12 Runden wieder, ohne auch nur ansatzweise einen Schlag angedeutet zu haben. Sieger sind zwar beide, aber der Zuhörer ist der eigentliche Gewinner. Schon lange war die Wundertüte Pop nicht mehr mit so vielen tollen Sachen gefüllt und "Through The Windowpane" bettelt förmlich darum, dass fleißig zugegriffen werden darf.

Wenn man erstmal gelernt hat den Bandnamen richtig auszusprechen (Gillimotz), kann es losgehen mit der Entdeckungsreise. Zuerst einmal fällt auf, dass bereits mit dem Opener "Little Bear" an sämtlichen gängigen Standards munter dran vorbeigespielt wird. Wer braucht schon einen Earcatcher zu Beginn? Stattdessen gibt es sanfte Streicher, die sich mit der Ausnahmestimme von Sänger Fyfe Dangerfield zu einer ganz eigenen Wunderlandschaft zusammenfügen. Der "Made Up Love Song #43" und "Trains To Brazil" streiten sich im Anschluss darum, wer von beiden der perfekteste Popsong ist. Die Entscheidung ist auf unbestimmte Zeit vertagt, denn alleine die unzähligen Details herauszuhören, ist eine kleine Lebensaufgabe. Stichworte: Bohrmaschine, Schreibmaschine, Wecker...

Ab "Redwings" wird dann erstmal zu den Taschentüchern gegriffen. Jede Schnulze würde mit diesem Song automatisch zu einem guten Film aufgewertet werden. Man denke nur an die ganzen Liebes-, Abschieds-, Herzschmerzszenen, die daduch vertont werden könnten! Sofia Coppola hat sich hoffentlich schon die Telefonnummer besorgt und gibt Joan Wasser für ihren Gastauftritt bei diesem Duett bitte gleich die Hauptrolle noch dazu. Doch damit noch nicht genug. Über den euphorischen Titeltrack betritt man, ohne es zu ahnen, das Epizentrum des eigenen Herzens. Klingt schmalzig, ist aber so. "If The World Ends" erhält hiermit die Auszeichnung für die intensivste und verdammt nochmal beste Ballade des Jahres, oder sagen wir gleich des bisherigen Jahrhunderts. Dazu braucht man nur folgende Textzeilen zu lesen, um das zu erkennen:

"i just about managed to forget you
when you appear in a dream
and you're even more beautiful there
than i remember you being
so i've come to decide that fate
is telling you to not go
and considering this
i want you to know

if the world ends
i hope you're here with me
i think we could laugh just enough
to not die in pain"

Als ob es nichts wäre, wird dann ein weiterer Hit mit "We´re Here" nachgeschoben. Ja gehen denen denn nie die Ideen für großartige Songs aus, beginnt man sich zu fragen. Und dann kommt er leider doch, der kleine Schönheitsfleck. "Blue Would Still Be Blue" ist der missglückter Versuch durch radikales Reduzieren für noch mehr Abwechslung zu sorgen. Leider wirkt das Lied stattdessen eher wie ein ärgerlicher Fremdkörper, denn danach ist das hohe Niveau durch "Annie, Let´s Not Wait" und nicht zuletzt wegen dem herrlich größenwahnsinnigen "São Paulo" wieder da.

Bei dieser Perle von einem Album sei abschließend mal offen die Frage erlaubt, wer zur Hölle dafür verantwortlich ist, dass "Through The Windowpane" ohne jegliche Promotion so still und leise veröffentlicht wurde? Ich würde liebend gerne den Job übernehmen! Dürfte ja bald frei werden die Stelle...

Benjamin Köhler

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