Rezension

Girls

Father, Son, Holy Ghost


Highlights: Just A Song // Vomit
Genre: Indie-Pop // Blues // Psychedelic
Sounds Like: The Thrills // Smith Westerns // Eric Clapton

VÖ: 23.09.2011

Die sind ja soooo süß! Eigentlich eine Band für Girls, noch dazu namens Girls, die mit Glubschäuglein und dünnen Ärmchen bei den Girls (oder etwas naiven Frauen) ihr „Glück“ suchen und Trost finden (oder das zumindest vorgeben), indem sie der Weiblichkeit huldigen und die heimliche Plüschtiersammlung geschickt instrumentalisieren. Noch dazu sind die Girls die einzigen, die all die weiblichen Girls „Honey Bunny“ nennen dürfen, wo unsereiner allerhöchstens mit einem trockenen „Hey Hon“ seine Zuneigung bekundet. Lolitas erröteten geschmeichelt seit dem letzten Girls-Album „Album“ und die lüsterne Musikwelt war begeistert. Auch sonst sorgte besagtes Album damals ja gemeinhin für Heiterkeit und jede Menge „Lust“, so dass wir den Girls am liebsten einen Knutschaaaa verpassen wollten…

Wem soll man es verdenken, der angewidert von dieser perfiden Masche die Musik der beiden Herren um Girls, Christopher Owens und Chet White, wenn auch groteskerweise, als „schwul“ betiteln möchte? Warum kommen diese Penner damit durch? Ist es Neid? Wenn ja, welcher Art? Ist es, weil wir vielleicht des Pudels Kern erblicken und das böse Spiel dieser Schergen durchschauen?

In Wahrheit verbarg und verbirgt sich hinter Girls nämlich eine solch ausgeprägte phallisch-lokomotorische Kraft, die manch andere, kraftmeierische Pose um ein Vielfaches übertifft und selbst dem Allmächtigen unheimlich erscheinen muss. Vielleicht heißt das neue Album der Girls ja auch deswegen „Father, Son and Holy Ghost“, da nur die spirituelle Kraft der Heiligen Dreifaltigkeit dazu imstande wäre, den Trieben Einhalt zu gebieten. Andererseits verkünden und thematisieren Girls das Glück, den Sinn und das Streben nach (freier) Liebe, womit sie ganz in der Tradition der eigenen Heimat San Francisco stehen und womit der Heilige Vater sicher ebenso einverstanden sein müsste. Bleiben wir aber bei der Sache. Die Girls sind also ganz plakativ gesagt gut und böse zugleich. Nur vordergründig mimt die Band das Unschuldige, nur vordergründig ist sie so etwas wie das musikalische Pendant zu „Eis Am Stiel“. Peppige Teenie-Tunes finden sich nämlich nur häppchenweise auf dem neuesten Werk der Band. Gleich der Opener „Honey Bunny“ wäre eben so ein Stück, welches, ganz ähnlich wie „Lust“auf dem Vorgänger, den Reigen der Songs scheinbar harmlos und gutgelaunt eröffnet. „Magic“ wäre noch so ein Stück, welches zwar Hitpotenzial besitzt, aber wirklich als harmloses, dreiminütiges „Nümmerchen“ der Qualität des Albums eher abträglich oder aber auch das Zuckerbrot für die Peitschenhiebe ist, die die Girls sich selbst und den anderen sonst verpassen.

Noch mehr als beim Debüt legen Girls tiefe, psychologische Abgründe frei wie beispielsweise die Liebe zur Mutter, die gleich in mehreren Songs thematisiert wird (Ödipus lässt grüßen). Ja, „My Ma“ – so auch der Titel des fünften Tracks – war mir immer die liebste und wahrscheinlich verbinden wir in Wahrheit mit ihr kaum mehr als mit der Sensucht nach Heimat allgemein. „Mama, she even loved me when I was bad“, singen sie da, nicht ohne dabei zumindest in Ansätzen pervers zu klingen. Die vergleichsweise düstere Vorabsingle „Vomit“ kotzt wortwörtlich, quasi als Abewehrmechanismus, alles Übel aus und besitzt gleichzeitig doch etwas zutiefst Melancholisches. Sie spielt mit dem Kitsch und mit der Nostalgie von Eric-Clapton-Songs wie „Wonderful Tonight“. Genau hierin liegt auch die gekonnte, neue Ästhetik der Band: Mit absoluter Klarheit und klassischem Songwriting tiefe Abgründe aufzuzeigen.

Sehnsucht trifft es insgesamt auch eigentlich gut, was „Father, Son and Holy Ghost“ thematisiert: Sehnsucht nach Geborgenheit, Liebe, Sex, Drogen, Mädchen bei gleichzeitiger, völliger Selbstaufgabe. Songs wie „I’m So Lost“ oder das progessiv-rockende „Die“ unterstreichen das. Wären nun alle Songs derart ausdrucksstark wie „Vomit“ auf diesem Album, hätten wir es wahrlich mit einem Meisterwerk zu tun. Leider verliert sich so mancher Song leider doch in den Weiten des amerikanischen Südwestens und in immer wiederkehrenden Themen, da die Girls zwar mal auf die eine, mal auf die andere Art versuchen zu punkten, aber damit vernachlässigen sie das, was man gemeinhin als roten Faden bezeichnet.

Trotzdem: Dieses Album, auch wenn es nicht nur Album heißt, ist supaaaa! Und es zeigt eine große Kunst des Songwritings.

Achim Schlachter

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