Rezension

Ghost

Prequelle


Highlights: Rats // Faith // Life Eternal
Genre: Heavy Metal // Artrock // Pop
Sounds Like: Mercyful Fate // Deep Purple // Blue Öyster Cult

VÖ: 01.06.2018

2017 starb ein wichtiger Teil von Ghost: die Anonymität. Ehemalige Musiker der schwedischen, stets maskiert aufretenden Band um einen untoten Papst namens Papa Emeritus verklagten die Eminenz am Mikrofon. Aus den Gerichtsdokumenten wurde ersichtlich, dass der Musiker Tobias Forge, den Fans sowieso schon hinter dem Projekt vermutet hatten, tatsächlich als Mastermind, Songwriter und Bandchef fungiert und für Albumaufnahmen und Liveauftritte lediglich wechselnde Studiomusiker um sich schart. „Prequelle“ ist das erste Album seit der öffentlichen Demaskierung, in deren Folge Forge nun auch ganz offen als er selbst Interviews gibt. Die Frage ist nur: Funktioniert das große Ghost-Theater auch ohne Geheimniskrämerei?

Die leicht mystische Aura, die die Band mit so interessant machte, haben Ghost jetzt jedenfalls verloren. Das Talent aber nicht – warum auch? Dass die Verkleidung nie bloßes Gimmick war und vor allem nie musikalisches Unvermögen kaschieren musste, war ja schon immer ein Vorteil von Forges Projekt. Deshalb macht „Prequelle“ im Grunde auch weiter wie bisher, dreht die Operettenhaftigkeit vielleicht sogar noch ein bisschen weiter auf und lässt den Frontmann – diesmal nicht als Papst, sondern als „Cardinal Copia“ – wieder fröhlich von der Kanzel Widersprüchlichkeiten predigen.

Ob plakativ-ironischer Satanismus und Pop, Heavy Metal und Melodieseligkeit oder Showbiz und Anonymität: Spielwiese von Ghost war schon immer das Nicht-Zusammen-Passende und „Prequelle“ macht da als „Album über die Pest“ (Forge) als Allegorie auf schlechte Zeiten keinen Unterschied. Während Metal und Rock gern die destruktiven Aspekte des Schwarzen Tods hervorkehren, besingen Ghost gewissermaßen die Überlebenden – mit pompösen Hymnen, die denen des Vorgängers „Meliora“ in nichts nachstehen.

Die Single „Rats“, zu der es auch ein wunderbar cheesiges Musikvideo mit „Thriller“-Tanzzitaten gibt, macht's vor: Schreddernde Riffs, Forges getragener Gesang, heulende Hammond-Orgeln und Beklopptheiten wie ein Cembalo-Zwischenteil fügen sich zu einem Song, wie ihn sich in dieser poppigen Zugänglichkeit wohl gerade niemand sonst ausdenkt – weil niemand sonst die nötige Narrenfreiheit bei gleichzeitiger Reichweite hat.

Dazu fährt „Prequelle“ die Gitarren grundsätzlich ein bisschen in den Hintergrund und lebt seine Pop-Ambitionen mit ein paar mehr Chören und elektronischen Spielereien aus. Verglichen mit den großen Sprüngen, die Ghost zwischen bisherigen Alben in Sachen Sound und Songwriting hingelegt haben, tritt „Prequelle“ hingegen etwas auf der Stelle. Weil aber am Niveau von „Meliora“ ja gar nichts auszusetzen war, ist es überhaupt kein Problem, dass Songs wie „Faith“, das schamlos poppige „Dance Macabre“ und der samtweiche Schmachtbolzen „Life Eternal“ am Tracklist-Ende auch auf dem Vorgänger relativ problemlos Platz gefunden hätten.

Neu ist allerdings, dass mit „Miasma“ und „Helvetesfönster“ gleich zwei Instrumentals in der Tracklist sind, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Während ersteres ein ganzes Arsenal an Riffs zückt und in jedem Part noch eine Idee draufsetzt (bis hin zu einem absurd großartigen Saxofon-Solo), wird das zweite über weite Teile von Klavier, Akustikgitarre, brummenden Synths und Flöte bestritten und erinnert an eine apokalyptische Version eines barocken Jethro-Tull-Songs. Unerwartet kurzweilig sind beide.

Überhaupt macht Forge auch auf dem vierten Ghost-Album – mal wieder – kaum etwas falsch. Ja, „See The Light“ ist nach hinten raus ein bisschen lang geraten und „Pro Memoria“ steht sich beim Versuch, ein neues „He Is“ zu werden, selbst im Weg – mit allzu aufgesetzten dramatischen Effekten und einem Text, der in Sachen Albernheit den Ergüssen des Ghost-Debüts „Opus Eponymus“ Konkurrenz macht. Aber das sind im Grunde nichtige Details, die dutzendfach aufgewogen werden.

Ob unter Führung von Papa Emeritus, Cardinal Copia oder Tobias Forge – Ghost bleibt ein Projekt, das in der Rock-Landschaft zu Recht seinesgleichen sucht.

David Albus

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