Rezension

Get Cape. Wear Cape. Fly.
Searching For The Hows And Whys
Highlights: Window Of Your Mind // I Could Build You A Tower // Moving Forward // Could've Seen It All
Genre: Singer/Songwriter
Sounds Like: Bright Eyes // Kate Nash // Jamie T // The Good Life
VÖ: 28.03.2008

Da guckt er weg. Es wächst mitten aus dem Boden des Raumes ein baumartiges Türmchen aus allerlei in sich verwobenen Haushaltsgebrauchsgegenständen gen Decke und er guckt einfach weg. Den schwarzen Einheitslook nur unterbrochen durch die Spitzen seiner Chucks, sitzt Sam Ducksworth wie ein kleiner Junge auf einem Bürostuhl und sieht aus wie das sechste Mitglied von My Chemical Romance, das die Band irgendwann an der Raststätte eines englischen Kleinkaffs vergessen hat. Und deswegen glotzt er noch dem Tourbus hinterher und nicht auf das, was sich da vor ihm abspielt? Nein. Der Mann sucht. Denn das banale Faktum, die bloße, einfache Antwort in Form des aufgebäumten Alltags interessiert nicht. Das „wie“ und das „warum“ will er beleuchten. Denn: „Ich war schon immer jemand, der gern einfache Dinge interessant ausdrücken wollte“, sagt Sam Duckworth. Es gilt, die Wurzel zu finden, also: „Let The Journey Begin“.
So programmatisch der Opener betitelt ist, so unspektakulär läuten er und seine zwei Nachfolger diese Reise dummerweise ein. Prägnanzarm plätschern die ersten acht Minuten der zweiten Get Cape. Wear Cape. Fly dahin, bis dann die „Postcards From Catalunya“ eintreffen. Danach greift die Kupplung und die Platte gewinnt zu Lasten von Carrie Bradshaw an Fahrt. Denn anhand eines Monologs der Sex-And-The-City-Hauptdarstellerin über die katharsische Wirkung des Schuhekaufens wirft Sam in „The Children Are (The Consumers Of) The Future“ hier der Jugend die Verschwendung des eigenen Potentials durch geistlosen Materialismus vor. Clever. „I've never walked on the Seine at night, so won't you take me there through the window of your mind?“ fragt Sam dann im fast niedlichen „Window Of Your Mind“ zu den charakteristisch leichten Laptop-Beats, bunten Synthies und den dezenten Streichern, die diese Platte subtil zu unterwandern wissen und sie im Gesamtbild leichter und luftiger werden lassen als die des handelsüblichen Songwriters.
„I Could Build You A Tower“ zeugt dann als astreiner TripHop-Geniestreich nicht nur davon, dass die Platte von DJ- Größe Nittin Sawhney co-produziert ist, sondern ist die Sonne des Soundkosmos von „Searching For The Hows And Whys“. Im nahen Osten knattern Kalashnivoks, im Irak sprengen sich die Extremisten in die Luft, an der Columbine High School läuft einer Amok. Und Sam könnte uns einen Turm bauen. Einen Turm, um diesem Irrsinn an Gewalt zu entkommen und sich zu besinnen. Nur: Er würde nicht stehenbleiben, sie würden ihn niederbrennen. Ein Denkzettel von Song, der die zweite Hälfte der Wurzelsuche einleitet. Dort finden sich die mit Bläsern gespickte, lockere Sing-along-Single „Find The Time“, sowie das von aufdringlichen Groupies erzählende „Better Things“, Unterstützung von Kate Nash inklusive.“I've got better things do to tonight than cultivate your vacuous desires“. Saubere Abfuhr, Sam. Dabei saß er im Trauerkloß „Moving Forward“ noch auf der anderen Seite des Tisches. „And I wish that I was stronger than the people that you meet and I wish that you were lost without me....I'll be just fine, so here's to moving forward“. Wie hieß es doch so schön bei Kettcar: „Einsehen zum Schluss, dass man weitermachen muss.“
Am Ende der Suche steht dann die Antwort, aber natürlich verrät er sie uns nicht. „I could've seen it all...but I wanted more“. Tolle Wurst. Was uns bleibt: die Platte. Also das, was für Sam Duckworth das Alltagsbäumchen ist. Und die ist trotz lahmem Beginns schlichtweg gut, auch wenn vielleicht das ein oder andere Highlight weniger als beim Debüt hervorsticht. Luft- und Leichtigkeit im Sound sind aber geblieben. Wenn er wirklich mehr will, bleibt ihm wohl nichts anderes übrig, als sich doch mit dem Baum auseinanderzusetzen. Bis dahin naschen wir noch ein wenig an dieser Milka Lufleé des Songwritertums.
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