Rezension
Gary
One Last Hurrah For The Lost Beards Of Pompeji
Highlights: Detroit Destroyed The Trunk Dragon // Ocean Motion Devotion // Leave Me // John Peel And The Dragon Of Steel // Dandelion
Genre: Indierock
Sounds Like: The Lemonheads // Ash // Death Cab For Cutie // Weezer
VÖ: 28.05.2010
Machmal hört man so lange nichts mehr von einer Band, dass man sie völlig vergisst. Dann ist die Überraschung nur um so größer, wenn sie doch noch zurückkehrt. Gary haben sich sehr viel Zeit gelassen, sechs Jahre sind inzwischen seit dem zweiten Album "Split" vergangen und seitdem hat sich einiges getan. Ihr altes Label Jive wurde von der BMG übernommen, was Robert Stadlober dazu brachte, „Siluh Records“ zu gründen, um wieder eine Plattform für seine Musik zu haben. Bei wem es bei seinem Namen nicht direkt klingelt: Stadlober war in zahlreichen deutschen Filmen zu sehen, unter anderem als Benjamin in Crazy, in Sonnenallee und in Sommersturm. Was ein Grund dafür war, warum die Majors damals Schlange standen, um Gary unter Vertrag zu nehmen. Aber das ist die Vergangenheit und die liegt inzwischen ebenso wie Stadlobers letzter Mainstreamfilm so weit zurück, dass die Band wieder bei Null anfangen muss, und das mit leicht veränderter Besetzung: Astrid Noventa ersetzt Kay, Schlagzeuger und Gründungsmitglied Rasmus Engler ist weiterhin dabei.
„Ja, wir waren oft ein Konstrukt, ein Vehikel für unsere eigenen Phantasien, wir waren oft auch keine Band und vieles waren Fehler. Naiv und faul waren wir auch. Und das werden wir auch bleiben. Nein, wir haben nichts aus alledem gelernt. Aber wir sind jetzt eine Band.“ Dieses Zitat Stadlobers ist vielleicht die beste Kurzzusammenfassung für das, was bei Gary in der Vergangenheit schief gelaufen ist, warum das Album so lange auf sich hat warten lassen und warum Gary wieder eine Zukunft haben. „One Last Hurrah For The Lost Beards Of Pompeji“ klingt wie ein Debüt einer jungen, unverbrauchten Band – auch wenn das Album mit einem kleinen Schock beginnt. Da hört man diesen wirklich großartigen ersten Track „Detroit Destroyed The Trunk Dragon“, bei dem alles stimmt, Stadlobers Stimme, die Gitarre, die Streicher, Astrid im Background, und dann entpuppt sich der Song als Intro. Ahhh! Na gut Gary, euch sei verziehen, aber auch nur weil es auf ähnlichem Niveau weitergeht, wenn auch etwas anders. „Ocean Motion Devotion“ ist eher ein locker-leichter Rockpopsong simplerer Machart, der sich aber sofort ins Ohr frisst – ein Song, wie er uns auf diesem Album noch häufiger begegnen soll. „Leave Me“ gehört dazu, und der Refrain „So don't leave me in the summer, leave me in the winter when i'm down anyway“ verleitet zu dem Wunsch, mit dieser Band bei der nächsten Tour doch mal ein Bier trinken zu gehen, während der Refrain des folgenden (und großartigen!) „John Peel And The Dragon Of Steel“ die Frage aufwirft, ob „I wasn't on your bill“ wirklich als Redewendung im UK so verstanden wird wie das deutsche Pendant. Und darf man eigentlich inzwischen einen Titel wie „If God Invented The Imbus Popimbus, Then Where Does He Live Now“ verwenden, ohne auch nur das kleinste Fitzelchen Progressivität einzustreuen? Und das sogar (mehr oder weniger) im Lo-fi-Gewand? Ich bin völlig schockiert, denn auch das funktioniert schon wieder durch extrem hohe Eingängigkeit, und diesmal ruft sogar die Band tatsächlich selbst zu der nächsten Bierrunde auf. Jetzt aber Schluss mit Bier und zurück zum Wesentlichen. Die Riffs in „Dandelion“ und „Will You“ sind vielleicht die schönsten auf dieser Platte und sie erinnern nicht nur aufgrund der Klangfarbe an die Strokes oder sogar an Dinosaur Jr., auch wenn das Stadlober nicht so schnell spielen kann wie J. Mascis.
90er Sound, Songtexte, die auch für jeden versetzungsgefährdeten Mittelstufler verständlich sind, Riffs, die man mit ein wenig Übung selbst bald nachspielen kann – darf gute Musik wirklich so einfach sein, so naiv? Vielleicht muss sie das manchmal. Wenn die Gallagher-Brüder nicht mehr in der Lage sind, so etwas einfach Schönes, schön Einfaches zu schreiben, warum sollte dann die vielleicht beste Britpopscheibe des Jahres nicht aus dem deutschsprachigen Raum kommen?
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