Rezension
Gabriel Bruce
Love In Arms
Highlights: Sleep Paralysis // Greedy Little Heart // Cars Not Leaving
Genre: Synth-Pop
Sounds Like: Diamond Rings // Leonard Cohen // David Bowie
VÖ: 31.05.2013
Es wäre so einfach, Gabriel Bruce auf seine Stimme zu reduzieren – diese sonore, außergewöhnlich tiefe Bariton-Stimme, die einem schon beim ersten Hören einen wohligen Schauer über den Rücken jagt und somit fast zwangsläufig als Aufhänger für jedwede Rezension seines Debüts „Love in Arms“ herhalten muss. Wer den jungen Briten schlicht als pures Stimmwunder abtut, verschließt sich jedoch ganz anderen, nicht minder bemerkenswerten Aspekten seines Schaffens. Seinen nihilistischen Lyrics beispielsweise, die regelrecht Züge von teenage angst annehmen, wenn allgegenwärtige Todessehnsucht („Don’t you wanna feel like you’re moments away from the end of your life?“) mal wieder himmelhoch jauchzende Liebesschwüre im Keim erstickt.
Denn auf „Love in Arms“ ist die Liebe, wie der Titel schon andeutet, immer ein zweischneidiges Schwert. Sie ist Kriegsschauplatz, brutal und sadistisch, sie engt ein, schneidet einem die Luft ab, erzeugt böses Blut und erweckt die schlimmsten Monster in uns. Trotzdem verzehren wir uns nach ihr. Das von Kirchenorgel begleitete „Greedy Little Heart“ schwurbelt sich in seiner unstillbaren Gier, geliebt zu werden, in einen unwiderstehlich jovialen „Because you’re making me stronger“-Refrain, während im Hintergrund Discokugeln munter um sich selbst rotieren.
Es ist bei weitem nicht der einzige Song auf dem Album, der tief im 80er-Pop verwurzelt ist. Vielmehr zeugt schon der überaus schmissige Opener „Dark Lights Shine Loud“ von Gabriel Bruce' untrüglicher Vorliebe für billige Beats und klebrige Synthies. Er zelebriert es förmlich, alles, was an den 80ern so furchtbar war, miteinander zu verwursten – den Kitsch, den Pathos, den Feuerzeugschwenk-Schmalz („If Only In Words“). Er mimt den schmierigen Verführer im sample-lastigen „Zoe“ („One day we’ll all be dead, so let’s misbehave“), gibt den Gepeinigten in der von Blut, Leichenwagen und der Bibel erzählenden Herzschmerz-Klavierballade „All That I Have“ und eifert im aufreizend trägen „El Musgo“ zu Synthie-Orgel, marschierenden Drumcomputer-Beats und feierlichem Backgroundchor unverkennbar Leonard Cohen nach. Selbst der astreine und von New-Wave-Gitarren getriebene Ohrwurm „Cars Not Leaving“ ist vor einem unvermeidlichen Saxophon-Solo nicht gefeit.
Das Erstaunliche an der Sache: Gabriel Bruce verzieht trotz all der offenkundigen Theatralik über das gesamte Album hinweg keinerlei Miene. Ganz im Gegenteil geht er mit einer derart bewundernswerten Ernsthaftigkeit zu Werke, dass man es gar nicht wagt, ihm irgendeine Ironie zu unterstellen. Er macht sich den Camp einfach völlig zu eigen. Selbst wenn man sich angesichts so manch eines seiner herrlich geschmacklosen Retro-Videos nur schwer ein Lachen verkneifen kann, wirken die melodramatischen Gesten auf „Love in Arms“ auf verquere Weise aufrichtig, die Inbrunst, mit der er sich in Songs wie das von majestätischen Bläsern dominierte „Perfect Weather“ zunehmend hineinsteigert, absolut real. Und wenn er einem im (un)heimlichen Album-Highlight „Sleep Paralysis“ erst noch unablässig „I got this feeling that we’re dead, and there’s nothing more“ ins Ohr wispert, nur um kurz darauf völlig aus der Haut zu fahren, überkommt einen plötzlich das seltsame Gefühl, seine Worte wären einem selbst auf den Leib geschneidert. Denn nichts vermag die enorme Wirkung dieser charismatischen Stimme, dieser Lyrics, dieses Selbstvertrauens treffender zu beschreiben als: „There’s a shortness of breath, there’s a weakness of knee.“
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