Rezension

Emily Loizeau

Pays Sauvage


Highlights: Pays Sauvage // Sister // Songes // I’m Facing A World Of Anger
Genre: Folk // Chanson // Blues // Jazz
Sounds Like: Moriarty // Dead Man's Bones // Liz Green // Jacques Brel // Tom Waits // Laura Gibson // Randy Newman // Chris Garneau

VÖ: 09.10.2009

„Pays Sauvage“ lautet der Name von Emily Loizeaus zweitem Album. Wie ist dieser Titel zu verstehen? Bezieht er sich auf den Entstehungsort, oder macht sich die Französin musikalisch in wildes Land auf? Deuten lässt er sich auf beide Weisen. Zum Schreiben der Songs zog sie sich in den Süden der Ardèche-Region zurück, um Abstand vom beengten Stadtleben in Paris zu gewinnen. Doch auch musikalisch geht es für ihre Verhältnisse recht wild zu. Mit glattpoliertem Folk-Pop hat dieses Album nichts zu tun. Nicht ohne Grund bezeichnet Loizeau „Pays Sauvage“ als ihr „Hippie-Album“. Die Songs gewinnen ihren Reiz vor allem aus der Energie des befreiten Zusammenspiels der zahlreichen Musiker, die an diesem Album mitgewirkt haben. Um den Kern ihrer Live-Band, bestehend aus Cellist Olivier Koundouno und Drummer und Gitarrist Cyril Avèque, fand sich ein Musikerkollektiv zusammen, zu dem auch David-Ivar Herman Düne und die Folk-Band Moriarty zählen. Wenn man die frech instrumentierten Songs hört, wundert einen der zunächst etwas abwegig erscheinende Vergleich ihrer Musik mit Tom Waits kaum noch. Die zahlreichen Ecken und Kanten, welche die Songs aufweisen, machen es einem leicht, sich durch das 16 Songs starke Album zu hangeln.

Obwohl Emily Loizeaus Songs rasch ins Ohr gehen, fällt die stilistische Einordnung alles andere als leicht. Zwischen klassischen Chansons und Blues, zwischen englischem Folk (ihre Mutter ist Engländerin) und Jazz bewegen sich die Songs so gut wie überall. Gemeinsam ist ihnen jedoch der Spagat zwischen Niedlichkeit und etwas verschrobener Altertümlichkeit. Der zwielichtige Opener „Pays Sauvage“ jagt einem mit seinen durchdringenden Pizzicati gleich zu Beginn schon einen Schauer über den Rücken. „Fais Battre Ton Tambour“ zeigt sich mit polternden Drums ähnlich ungemütlich und „Songes“, einer der atmosphärischsten Songs des Albums, schlägt mit fahlen Streichern in dieselbe Kerbe. „Coconut Madam“ könnte mit seinem torkelnden Klavier ebenso von einer Schallplatte aus den 30ern des vergangenen Jahrhunderts stammen. Einen Gegenpol zu diesen unheimlichen Stücken bildet der zahme Walzer „Tell Me That You Don’t Cry“, in dem Emily Loizeau und David-Ivar Herman Düne im Duett singen und mit ihren doch so verschiedenen Stimmen überraschend gut harmonieren. „Sister“ zählt zu den großen Hits des Albums und kommt mit entspannten Bläsern und stimmigem Chorgesang so charmant daher, dass man zugleich das Bedürfnis hat, die Melodie mitzupfeifen.

Dass „Pays Sauvage“ auf ganzer Länge funktioniert, ist natürlich nicht zuletzt Emily Loizeaus ausdrucksstarkem Gesang zu verdanken. Sie scheut keine Wagnisse, um die Songs spannend zu gestalten, schwankt dabei zwischen kindlicher Frechheit und schlichter Schönheit und imitiert altertümliche Gesangsstile, ohne auf eine ganz eigene Note zu verzichten. Auch die Gastmusiker Rosemary Standley und David-Ivar Herman Düne leisten ihren Beitrag und werten beispielsweise das auf einer etwas uninspirierten Klaviermelodie aufbauende „In Our Dreams“ ungemein auf.

Man könnte noch viele Worte über die zahlreichen Details dieses Albums verlieren, doch die gilt es letztlich selbst zu entdecken. Wer auf der Suche nach einem atmosphärischen Album für die länger werdenden Herbstabende ist, wird mit Emily Loizeaus zweitem Werk viel Freude haben.

Kilian Braungart

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