Rezension

Elvis Perkins

Ash Wednesday


Highlights: Ash Wednesday // Sleep Sandwich // While You Were Sleeping
Genre: Folk
Sounds Like: Two Gallants // Nick Drake // Bright Eyes // Arlo Guthrie

VÖ: 13.07.2007

Veröffentlichungen über Veröffentlichungen, nicht auf meinem Schreibtisch, aber in den Listen des Blogs. Wieder erhältlich, neues Material, Debüts. Wirklich zu erkennen, was sich lohnt, was die Sammlung und vor allem das Leben bereichert, ist im Internet-Zeitalter zwar objektiv einfacher geworden, doch überfordert gerade dieses Überangebot. Die Schmankerl gehen zwischen umjubelten mediokren Zweit-/Dritt-/Neunwerken verloren.

Die Aufmerksamkeit – die ungeteilte – hat Elvis Perkins verdient. Hierzulande bereits im Vorprogramm von Clap Your Hands Say Yeah und Cold War Kids unterwegs, verzaubert Perkins mit einfacher und doch versponnener Folk-Musik. Abseits von Weird-Folk, sondern ganz klassisch in einer Linie, die von Drake und Dylan bis heute nie ihre Freunde und Vertreter verloren hat. Aus jedem Ton klingt eine Authentizität, eine tiefe Empathie, wie auch eigene Emotionen, ein in-der-Musik-aufgehen-und-leben. Vieles davon entspringt sicherlich den verarbeiteten Erlebnissen (9/11 u. a.), genauso trägt jedoch der Arbeitsansatz, möglichst viele Live-Aufnahmen ohne große Nachbearbeitung zu verwenden, dazu bei.

Perkins hat mit vielen Folk-Singer/Songwritern, die sich der amerikanischen Folklore verwandt fühlen, ein Gefühl für Melodien, und wie sie geschickt eingesetzt werden, um den Hörer zu fesseln, zu begeistern und zu berühren gemein. Vor allem dies, das Mitempfinden der präsentierten Melancholie, die insbesondere die zweite Album-Hälfte dominiert, lässt einen „Ash Wednesday“ ins Herz schließen. Aber diese Ruhe, die vielleicht als Katharsis des Künstlers zu werten ist, bildet nur den Kontrastpunkt zur ersten Hälfte des Albums. Wenn Perkins in „Sleep Sandwich“ und „Good Friday“ je nach Geschmack nach Rufus Wainwright oder Loudon Wainwright III klingt, und die Theatralik und das opernhafte im Arrangement ebenfalls dorthin deutet, so verströmt das chaotisch verpunkte „May Day!“ eher den Charme eines Two Gallants Songs, nicht ganz so energetisch, etwas mehr auf Harmonie bedacht, aber in diese Richtung weisend. "Saddle Creek" ruft auch bereits die Album-Eröffnung „While You Were Sleeping“. Conor Oberst stand sicher nicht Pate, eher berufen sich er und Perkins auf gleiche Hintergründe. Wie Oberst, Wainwright und 2G erzählt auch Perkins in jedem Song Geschichten – oder zumindest Episödchen – die ebenso von einem traurigen Clown, wie von einem lustigen Trauerredner stammen könnten.

Wie der das Album teilende Titeltrack - je nach Stimmung sich irgendwo klanglich zwischen Ben Harper und Thom Yorke einordnet, wie Böswillige das gesamte Album als einziges Lullaby bezeichnen könnten - so hört sich der albumabschließende „Good Friday“ für den einen Hörer trostvoll und für den anderen hoffnungslos an. Musikalisch führt er ins Nichts, er schmeißt uns raus, textlich baut er uns auf, verspricht Rettung. Der Titel ist Programm, so wie Karfreitag die letzte Besinnung vor Feierlichkeiten des Osterfestes bietet, gewährt uns „Good Friday“ die letzte Ruhe vor unserem eigenen Leben.

Sind all die obigen Vergleiche nötig? Nein, aber sie verdeutlichen, wie vielseitig ein Folk-Album sein kann, wie viele Wandlungen ein Künstler im Rahmen einer knappen Stunde durchgehen kann, wie sehr eine CD dem Leben gleicht. Wie das Leben, erschließt sich „Ash Wednesday“ erst in den Wiederholungen, die Tiefe der Produktionen von Ethan Gold und Elvis Perkins, die Kraft kleinster Momente braucht Zeit, begeistern tut es jedoch schon beim ersten Hören.

Oliver Bothe

Finden


Bye-Bye



Am 5. Januar 2021 haben wir éclat eingestellt. Mehr Infos hierzu gibt es auf unserer Startseite!