Rezension
Do Make Say Think
Stubborn Persistent Illusions
Highlights: Bound // And Boundless // Her Eyes On The Horizon // Return, Return Again
Genre: Postrock // Jazz // Instrumental
Sounds Like: Godspeed You! Black Emperor // Tortoise // Explosions In The Sky
VÖ: 19.05.2017
Wenn Broken Social Scene das Herz der Toronto-Independent-Szene sind, dann sind Do Make Say Think ihre Seele. Was zwischen diesen fünf Musikern seit 1995 besteht, ist in Worten schwer zu beschreiben. Klar ist: es führt zu einer Magie in der Musik, die ihresgleichen sucht. Jedes der bis dato sechs Alben ist auf seine eigene Art ein Meisterwerk, mal lauter, mal jazziger, mal heimeliger. So oft schaffen es Do Make Say Think mit vermeintlich so simplen Elementen, Dinge auszudrücken oder auszulösen, die mit Worten niemals beschreibbar wären. Ihre Musik bringt Emotionen oder Stimmungen auf den Punkt, für die das passende Wort erst noch gefunden werden muss, oder für die ein Wort eben auch einfach nicht ausreichend ist. Die Musik hat so stets etwas sehr Persönliches, berührt unmittelbar. Oft auch mit Field Recordings fangen die Musiker Stimmungen ein, nehmen sie durch ihr Musizieren auf und tragen sie weiter (zum Beispiel in „Chinatown“ vom 2002er-Album „& Yet & Yet“).
Da zu befürchten ist, dass zu wenige Menschen (es können nie genug sein!) diese Band kennen, soll dieser Text neben dem neuen Album auch die Musik der Band insgesamt preisen. Anspieltipps zum Einstieg sind das 2000er-Meisterwerk „Goodbye Enemy Airship The Landlord Is Dead“, eines der besten Postrock-Alben aller Zeiten, der nicht weniger berührende Nachgänger „Winter Hymn Country Hymn Secret Hymn“ von 2003 mit dem wundersamen Stück „Auberge Le Mouton Noir“ oder Songs wie „If I Only...“. Wer das liebt, wird bald alles lieben, was diese Band macht und gemacht hat.
So auch das neue, siebte Album „Stubborn Persistent Illusions“, das nach acht Jahren Durststrecke nun endlich erscheint. Schön, dass die Musiker bei all den Nebenbeschäftigungen immer wieder zueinander finden. Charles Spearin, Ohad Benchetrit, David Mitchell, Justin Small und James Payment tummeln sich in besagter Szene, manche spielen bei Broken Social Scene, touren mit Feist, Kevin Drew, arbeiten in Plattenläden, und alle haben auch einfach Familien. Ein Leben um die Musik, und immer wieder kommt es auf Do Make Say Think zurück, die fünf verbindet eben irgendetwas Besonderes. So glaubte nach dem letzten Album „Other Truths“ von 2009 etwa niemand so richtig, dass es nochmal eine Platte geben würde. Aber die gibt es jetzt, es ist einfach passiert. Aus Herzblut und Freude an dem, was gemeinsam entsteht, stets mit einem absoluten DIY-Punkrock-Ethos. Auf keinem Label der Welt außer auf dem großartigen Montrealer Constellation Records könnten Do Make Say Think besser aufgehoben sein, ebenbürtig mit den legendären Godspeed You! Black Emperor.
Schön ist, dass Do Make Say Think wohl einfach niemals enttäuschen werden, denn was sie auch instrumental tun, ihre Musik hat stets eine Seele, einen Kern, der nicht zu fassen ist. Diese Band macht glücklich, dadurch dass sie es vermag, eine innere Ausgeglichenheit und Ruhe zu erzeugen. Das umgreift ihre gesamte Diskographie und schließt auch das neue Album mit ein. „Stubborn Persistent Illusions“ ist eine treffsichere Essenz der Musik der Band, ist mal laut und ausufernd („War On Torpor“), mal ruhig Räume öffnend und diese mit Seele füllend („Her Eyes On The Horizon“), mal die genaue Balance aus beidem wie im Doppelstück „Bound“ und „And Boundless“. Gerade der erste Teil „Bound“ trifft das Kerngefühl des Sounds der Band genau, der Song ist mit dem ersten Hören schon ein Klassiker und allein dafür hat sich das Warten gelohnt. Der Sound ist wie stets ein perfekter analoger Mix aus Gitarren, großartigen Bassakzenten, zwei Schlagzeugen, die der Musik stets eine innere Reibung verleihen, sowie gelegentlichen Synthies, Orgeln oder Drones. Die Musik der Band ist cinematisch, erzeugt sie doch stets Bilder im Kopf, löst etwas aus, das über das bloße Hören von Musik hinausgeht und viel mehr ein Gesamterlebnis ist. Die Musik wird über die Jahre mehr zu einem guten Freund, einem verlässlichen Begleiter.
Wenige Bands schaffen es so sehr, ein emotionales Narrativ ohne irgendein Wort zu verfolgen. Do Make Say Think gehen nicht den Umweg über Sprache, sondern sie erreichen die Hörenden direkt über Stimmung und Gefühl. Die Seele der Musik berührt die Seele des Hörenden. Hier entsteht dann für jede*n ein ganz eigener Bezug, jede*r verbindet eigene Erfahrungen mit den ausgelösten Gefühlen, als Zuhörer*innen driften wir in unsere eigene Zwischenwelt ab. Und das großartige Finale „Return, Return Again“ katapultiert uns lebendig und lebensbejahend zurück in die Wundersamkeiten und Absurditäten der Welt, die wir miteinander teilen. Viel mehr gibt es zu dieser Platte nicht zu sagen, denn was es bedeutet, Do Make Say Think zu hören, dem lässt sich mit Worten ohnehin nur annähern. Die Freude des Hörens habt ihr alle für euch allein! Los geht’s! Es gibt so viel zu entdecken!
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