Rezension

DeVotchKa

A Mad And Faithful Telling


Highlights: The Clockwise Witness // Comrade Z // Transliterator
Genre: Balkan-Folk // Klezmer
Sounds Like: Beirut // A Hawk And A Hacksaw // Shantel // Gogol Bordello // Calexico

VÖ: 14.03.2008

Achtung, Achtung. Dies ist eine Warnung, wir bitten um eure Aufmerksamkeit, denn hier hört ihr es zuerst: Der Balkan versucht, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Nein, nicht im militärischen Sinne - dafür haben wir ja schon die USA - sondern durch den viel erfreulicheren, immer stärker wahrnehmbaren Export osteuropäischer Musikrichtungen wie Klezmer und Co. in immer mehr Untergenres jenseits der Mainstreamkultur. So mutet der Pogo zu Sinti- und Romamusik mittlerweile dank Gogol Bordello kaum noch außergewöhnlich an, Shantel lockt mit seinem bunten Mix aus Folklore und Electronica auf Tanzflure zwischen Moskau und Moers und Freunde melancholischer Rotweinabende schließlich leeren ihre Flaschen zu Beirut und seinem "Gulag Orkestar".

Irgendwo im Spannungsfeld genannter Musiker können auch DeVotchKa verortet werden, die zudem im Laufe der letzten Jahre schon ihren Weg in die Gehörgänge von so manchem nichtsahnenden Filmfreund gefunden haben - so untermalte das absolut fantastische "How It Ends" bereits den Trailer zur Verfilmung von Jonathan Safran Foers "Alles ist erleuchtet", für "Little Miss Sunshine" komponierten DeVotchKa beinahe den kompletten Soundtrack, beziehungsweise variierten ihr letztes Album "How It Ends".

Eine ausgezeichnete Wahl der Regisseure Dayton und Faris, denn so wie sich in Little Miss Sunshine tragische und komische Elemente gleichermaßen die Hand geben, gelingt es auch DeVotchKa, sowohl reine Lebensfreude als auch tiefsten Weltschmerz auszudrücken und fühlen zu lassen, was auch auf "A Mad And Faithful Telling" wieder bewiesen wird - und das in einigen Songs sogar gleichzeitig. Für den Weltschmerz scheint vorrangig das klagende Organ von Sänger Nick Urata zuständig zu sein, das wie "Basso Profundo" selbst die fröhlichsten Mariachi-Rhythmen noch konterkarieren kann. Vollkommen unbeschwert kommt konsequenterweise nur das rasante Instrumentalstück "Comrade Z" daher, das wahrscheinlich nur auf einer ukrainischen Klischee-Hochzeitsfeier zwischen Vodkapfützen und sich prügelnden Großvätern stilecht genossen werden könnte - zu einem fortgeschrittenen Zeitpunkt der Feier, nachdem man das frisch vermählte Paar bereits zum walzeresken "Blessing In Disguise" hat über das Parkett schweben sehen.

Was "A Mad And Faithful Telling" jedoch noch mit exotischen Hochzeitsfeiern verbindet: Ebenso wie von Getränken, die wie ehemalige russische Staatsführer heißen, hat man von DeVotchKas Genre- und Stimmungsmix irgendwann unfreiwillig genug, da manche Songs einfach zu sehr in die Länge gezogen erscheinen und etwaige rote Fäden irgendwo zwischen Violineneinsätzen und Tubarhythmen verloren gegangen sein müssen. Zudem ist es zwar eindrucksvoll, dass DeVotchKa im Gegensatz zu Shantel und Beirut nicht entweder Tanzbein ODER Tränendrüse, sondern beide in rascher Abfolge abwechselnd oder auch gleichzeitig stimulieren können, doch auf Dauer ungemein anstrengend. Zur Verdeutlichung sei auf den ersten Absatz hingewiesen - oder wollt ihr etwa mit dem Rotwein in der Hand über den Dancefloor pogen müssen? Nein? Dann sagt nicht, wir hätten euch nicht gewarnt...

Jan Martens

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