Rezension
Depeche Mode
Playing The Angel
Highlights: The Darkest Star // Nothing´s Impossible // John The Revelator
Genre: Dark Wave // Elektronik
Sounds Like: Camouflage // De/Vision
VÖ: 14.10.2005
Vor zwei Jahren hatte kaum einer mehr für möglich gehalten, dass es ein nächstes Depeche Mode Album geben wird. Die Fronten zwischen Mastermind Martin L. Gore und seinem Sprachrohr Dave Gahan waren so verhärtet wie nie zuvor. Als der charismatische Frontmann dann auch noch sein erstes Soloalbum auf den Markt schmiss, hatte das Gros der dunkel gekleideten Fangemeinde die Band bereits abgeschrieben. Plötzlich Anfang des Jahres die Meldung, dass man sich zu Aufnahmen eines neuen Albums im Studio eingefunden hätte. Und tatsächlich ist es nun da. „Playing The Angel“ heißt es und soll wieder an den Sound der erfolgreichen Ära zwischen „Black Celebration“ und „Violator“ anschließen.
Erfreulicherweise hat man sich zum Großteil an die vollmundigen Ansagen gehalten. Die bandtypischen Synthies aus den 80ern halten wieder Einzug und bringen auch gleich die verzerrten Gitarren mit. Will heißen, es herrscht wieder mehr Druck hinter dem Sound. Mehr trockenes Brot statt weichen Toast. Die allgemeine Stimmung dazu passend: Dunkel, böse, oft zerfahren und in gewissem Maße angsteinflößend. Nichts da mit „Playing The Angel“! Der Titel nur als Tarnung. Der Wolf im Schafspelz sozusagen.
„A Pain That I´m Used To” macht das gleich überdeutlich klar. Ohrenbetäubende Fanfaren, die das letzte Stück auf „Exciter“ beendeten, leuten hier die folgende Düsternis ein. Der Bass grummelt, routinierte Beats geben den Ton an. Dave Gahan umschmeichelt in gewohnter Art das Gehör, bevor angesprochene Fanfaren den Song wieder an die Wand fahren. Was mit „John The Revelator“ folgt sind Depeche Mode in Höchstform! Das diese Nummer der kommende Livebrecher wird, sollte auch der Laie nach dem ersten Hören bescheinigen können. Dann der erste, der drei Gahan Songs. „Suffer Well“ streut alle Bedenken sogleich in den Wind. Man fühlt sich gar ein wenig an „Enjoy The Silence“ erinnert, ob der packenden Dynamik und vor allem auch Dramatik. Beim anschließenden „The Sinner In Me“ schaut sogar Trent Reznor vorbei. Zerhackte Songbrocken tanzen sich gegenseitig aus und verbreiten eine beklemmende Atmosphäre.
Die Single „Precious“ übergehen wir galant und ordnen sie unter die Rubrik „Für das Radio aufgenommen“ ein. Herr Gore gibt sich dann auch mal die Ehre. Er mag es theatralisch und das zeigt er auch in „Macro“. Ein schleppendes Soundgerüst baut sich langsam auf, um in einem regelrechten Donnerhall zu enden. Der zweite Gahan Beitrag „I Want It All“ verblasst deutlich neben seinem letzten Stück „Nothing´s Impossible“. Dieses ist nämlich ein regelrechtes Meisterwerk, das man dem guten Dave gar nicht zugetraut hätte. Angstschweiß liegt in der Luft, es ist drückend heiß und etwas sehr beunruhigendes brodelt unter der Oberfläche. Vertonte Panik könnte man das hier nennen oder auch bester Depeche Mode Song seit acht Jahren. Das lässt sich das Hirn Gore natürlich nicht einfach so bieten und schlägt mit „Damaged People“ zurück. Einem dieser für in typisch dahinschlurfenden Songs, die trotz ihrer Schlichtheit diese beängstigende Tiefe in sich tragen. Das poppige „Lillian“ setzt wieder mehr auf den Tanzeffekt. Wunderbar treibend und mit toller Melodie versehen. Schließlich der große Abgesang und hier sind Depeche Mode über alle Zweifel erhaben. „The Darkest Star“ zeigt das Zusammenspiel Gore/Gahan auf so beeindruckende Art und Weise, dass tot ist, wer hier keine Gänsehaut bekommt. Wabernde Beats und Synthies bilden das Grundgerüst, begleitet durch ein trauriges Piano. Dann gegen Ende der Ausbruch: Geisterhafte Chöre, Gahan singt wie ein Gott. Verdammt ist das großartig!
Die letzten Töne verstummen und eine Mischung aus Unglauben und euphorischer Freude steigt auf. Da haben die Todgesagten uns doch tatsächlich alle überrascht und nebenbei das beste Elektronik- Album des Jahres aus dem Hut gezaubert. Die Frage, ob eine Zusammenarbeit beim Songwriting der beiden Bandköpfe funktioniert, haben Depeche Mode mit einem überdeutlichen „Ja!“ beantwortet. Bleiben sie uns nur noch die Frage schuldig, was eigentlich Andrew Fletcher in der Band macht.
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