Rezension
Defeater
Letters Home
Highlights: Bastards // Blood In My Veins // Rabbit Foot // Bled Out
Genre: Hardcore
Sounds Like: Touché Amoré // La Dispute // Modern Life Is War
VÖ: 19.07.2013
Wenn alles abwärts zeigt, wenn alles schief läuft, wenn alles den Bach runter geht und im Tümpel aus Scheiße versinkt, dann bleibt nur noch eins: die Hoffnung. Sie stirbt bekanntermaßen zuletzt, sie ist der letzte Notnagel. Der Blick nach vorn, der Zweckoptimismus. Nur: Was, wenn auch sie schon zerschlagen ist? Spannende Frage, nicht? Defeater haben darüber eine Platte geschrieben. Und was für eine.
Der Stoff, den diese Hardcore-Band sich greift, ist schon denkbar bitter: Defeater erzählen über ihre Platten hinweg die Geschichte einer US-amerikanischen Familie, die an den Folgen des zweiten Weltkriegs zerbricht. Schon die Tracklist sagt alles: "Hopeless Again", "No Relief", "No Savior", "Bled Out". Die Geschichten dahinter erschüttern: Ein Vater ist traumatisiert, legt sich auf die Schienen. Der Sohn ersäuft sein Leben im Alkohol, weil er seine Kameraden in Albträumen wieder und wieder sterben sieht. Der Bruder schlitzt die Kehle des Liebhabers seiner Frau auf, den sie hatte, als er im Schützengraben lag. "Letters Home" scheint die Sonne nicht gerade aus dem Allerwertesten. Gelinde gesagt. Wie herrlich unpassend, dass diese Platte im Hochsommer erscheint.
Defeater wüten auf "Letters Home" mit einer Wucht und Wut durch zehn Songs, die die beiden Vorgänger zahm wirken lässt. Der Sound drückt und ist kompakt wie nie – ein Hoch auf die Eigenproduktion der Fünf aus Massachusetts. Mit stürmischen Tracks wie "Hopeless Again" oder "Blood In My Veins" reiten Defeater weiter ihr Steckenpferd. Wuchtig und langsam wie in "No Shame" oder "Deat Set" können sie aber auch. Bemerkenswert dabei: das Songwriting ist klar strukturiert und zugänglich wie nie. Da wundert's kaum, dass Defeater behaupten, sie würden sich privat vor allem Pop-Musik geben.
Stets zum Zuhören zwingt Shouter Derek Archambault. Er speit diese Klagelieder mit einer Verzweiflung heraus, dass man den Kloß im Hals schon fühlen kann, bevor er fertig geformt ist. Auerbachs Organ klingt einen Tick weniger heiser, dafür etwas fester als einst. Und damit so brilliant wie nie. Seine Zeilen schmettern nieder: "I gave away my faith, when i gave my brother a coffin" ("No Savior"). Oder: "Dear old friend, I'm feeling hopeless again. I'm giving in to my vices bottle in hand" ("Hopeless Again"). Und zum Schluß: "I beg but death don't come, that fucking coward" ("Bled Out"). Na, gut drauf?
"Letters Home" rauscht in 34 Minuten durchs Ziel. Ihrem Effekt nach ist Defeaters dritte Platte aber ein episches Drama voller Frust, Wut, Tod und Einsamkeit, das der Wirkung eines Romans wie "Im Westen nichts Neues" oder Filmdramen wie "Before The Devil Knows You're Dead" in nichts nachsteht. Als eine der so genannten "The Wave"-Hardcore-Bands haben Defeater hiermit einen Kracher fabriziert. Ihr stärkstes Album soweit. Wen kümmert's schon, dass ihm die Hoffnung fehlt?
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