Rezension
Dashboard Confessional
Dusk And Summer
Highlights: Alles oder gar nichts
Genre: Emo // Pop-Rock
Sounds Like: Further Seems Forever // Ash // Maroon 5
VÖ: 17.08.2007
In einem amerikanischen Blog, den ich in den Tiefen des Internets leider nicht wieder auffinden konnte, wurde eine Rezension zu Dashboard Confessionals letztem Album, "A Mark, A Mission, A Brand, A Scar" einst sinngemäß so begonnen: "Wenn man im Lexikon das Wort 'Pussy' nachschlägt, findet man drei Einträge. 1. Ein verniedlichendes Wort für eine kleine Katze. 2. Ein vulgärer Ausdruck für das weibliche Geschlechtsorgan. 3. Dashboard Confessional." Der Release des besagten Albums liegt nun vier Jahre zurück, und ein knappes Jahr nach dem US-Release erscheint der Nachfolger "Dusk And Summer" nun auch in deutschen Landen. Da sich in diesen drei bzw. vier Jahren nicht viel am Konzept von Dashboard Confessional (also eigentlich Chris Carraba, der sich alleine für Texte und Musik verantwortlich zeigt) geändert hat, liegt es nahe, diesen Rezensionsanfang dreist zu übernehmen, von dem es sich auf 1001 Art geschickt zum Hauptteil der Besprechung überleiten lässt. Aber den Herrn Carraba als Pussy zu bezeichnen, wäre ja schon etwas zu gemein und übertrieben. Oder doch nicht? Just in dem Moment, in dem man sich diese Frage stellt, erhält der Rezensent Unterstützung, denn ein Engelchen und ein Teufelchen erscheinen auf seinen Schultern.
Der Teufel fordert nach einem kurzen Blick auf das Albumcover sogleich dazu auf, mit dem fröhlichen Emo-Bashing zu beginnen. Leicht nachzuvollziehen: Jenes Cover zeigt einen verträumt dreinblickenden Chris Carraba an einem malerischen Meeresstrand, dessen Gesichtsausdruck irgendwo zwischen einem melancholischen "Warum müssen mich die Siebtklässler bloß immer verprügeln" und einem nachdenklichen "Wie fang ich nur das Gedicht über meinen Teddy an, das ich meiner Mama zu Weihnachten schenken wollte" liegt. Maskulinität geht anders, vielleicht hat der Herr Carraba sie auch nur im Sand verloren und sucht sie jetzt. Hier mischt sich das Engelchen ein und beschwert sich, dass man ein Album nicht nach dem Cover beurteilen sollte und Männlichkeit sowieso allgemein überschätzt sei. Recht hat der Engel, auch wenn er mit seinem schwarzen Seitenscheitel und dem Sternentattoo irgendwie einen komischen Engel abgibt. Nur schade, dass das Teufelchen nicht nur das Cover niederzumachen weiß.
Nächster Kritikpunkt des Teufelchens ist nämlich, dass das neueste Werk Carrabas, der spätestens seit seinen MTV-Unplugged-Aufnahmen kein kleiner Name mehr in den Staaten ist, schon sehr auf Easy Listening und College-Radio getrimmt ist. Horden alles mitsingender Teenies sind bei Dashboard-Confessional-Konzerten seit Langem gang und gäbe, "Dusk And Summer" trägt dazu bei, dass dies auch so bleibt und niemand überfordert wird. Stets wird brav das Schema Strophe-Refrain-Strophe durchgezogen, dazu E-Gitarren, die nicht weh tun, aber auch eindringlich genug sind, um der Genre-Beschreibung "Pop" die wichtige Silbe "-rock" anfügen zu können. The kids like it. Macht aber ja auch nichts. Ein bisschen Pop tut keinem weh, meint der Engel, ganz im Gegenteil, oder warum sind Ash immer noch Everybody's Darling, obwohl sie im Prinzip genauso funktionieren? Und weswegen lieben immer noch alle die Foo Fighters, wenn es verwerflich ist, sich beim Songwriting ganz offensichtlich auch mal an den Vorlieben der Radiostationen zu orientieren? Eben.
Bleibt als Diskussionspunkt für Engel und Teufel noch Carraba selbst, sicherlich einer der markantesten Sänger der Emo-Szene (wenn man sie so nennen will). Leicht verweichlichte Selbstdarstellung auf dem Cover hin oder her, wer mit einer solch zuckersüßen und glasklaren Stimme von seinen Gefühlen singt und dabei noch teilweise so klingt, als würde er spätestens beim nächsten Refrain einen Weinkrampf bekommen, der MUSS in der High School einfach in diverse Kloschüsseln getaucht worden sein. Wer dazu seiner imaginären Angebeteten noch Textstellen wie My heart is sturdy, but it needs you to survive oder You are the best one, of the best ones entgegenschmalzt, der weckt nicht nur Assoziationen an Blumentöpfe, die aus dem Zimmer der holden Jungfrau auf den singenden Barden geworfen werden, den darf man auch guten Gewissens mal so richtig unmöglich finden. Man kann sich aber auch freuen, dass der Minnesang ins 21. Jahrhundert herüber gerettet wurde und es noch Männer gibt, die unprätentiös von ihren Gefühlen singen, ohne alles in Unmengen von Metaphern verstecken zu müssen: Das bleibt im Endeffekt jedem selber überlassen.
Engel und Teufel diskutieren längst nicht mehr, aus einer friedlichen Diskussion ist eine Rauferei geworden. Auch die letzten Argumente konnten den nämlich Engel nicht überzeugen: Dass Dashboard Confessional olle Pophuren seien, die jetzt sogar mit Maroon 5 auf Tour gehen und sich Juli-Sängerin Eva Briegel für einen Bonustrack an Bord holen, der manchmal den Eindruck erweckt, als hätten sich Chris und Eva nie entscheiden können, wer denn jetzt mit Singen an der Reihe sei. Teufel und Engel prügeln sich noch immer, der Rezensent sieht ein, dass er sich seine Meinung selber bilden muss. Darf man eine Platte mögen, die so mit Emotionen vollgestopft ist, dass diese schon wieder an der Seite raustropfen und die Hände schmierig machen? Soll man ein Album für seine Poppigkeit mögen? Soll man es hassen? Ich orientiere mich an einem Hit der Pinneberger Rapper "Fettes Brot", und während sich Engel und Teufel anschreien, entscheid ich mich für Ja....Nein....Jein?
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