Rezension
Dan Sartain
Lives!
Highlights: Those Thoughts // Prayin' For A Miracle // Atheist Funeral
Genre: Americana // Blues // Rockabilly
Sounds Like: The Jon Spencer Blues Explosion // The Black Keys // Calexico
VÖ: 28.05.2010
Ihr Rockmusiker dieser Welt, seht es endlich ein: Die Nuller sind vorbei! Sicher, im standesgemäßen Delirium der Silvesterfeier ist man eher mit Erbrechen als mit musikhistorischer Reflexion beschäftigt. Doch nun, ein halbes Jahr später, sollte der Kater doch mittlerweile der Einsicht gewichen sein, dass eure akustische Leichenfledderei den Kadaver längst ausgehöhlt hat. Zehn (!) ganze Jahre lang habt ihr uns erfolgreich eigene Ideenarmut als musikgeschichtliche Revision angedreht, längst abgesoffene, erfolglose Vorreiter plagiiert und uns die schlimmsten Geschmacksverirrungen der Achtziger als selbstironisch-hippe Bad-Taste-Party aufbereitet. Und alle tanzten vergnügt mit. Aber nun reicht es, ehrlich!
Auch Dan Sartain aus Birmingham, Alabama, hat als Aasgeier Karriere gemacht: Schamlos borgt der Grundsympath mit der verschmitzten Kleinganovenvisage nun schon seit drei Alben bei staubtrockenem Rhythm and Blues, Rockabilly und dunklem Americana – das Ganze so überraschend wie ein Kaktus in der Wüste. Nun beginnt er allerdings auf seiner neuen Platte “Dan Sartain Lives” etwas, das hoffentlich dieses Jahrzehnt in der Rockmusik keine Schule machen wird: Er referiert ununterbrochen auf eigene Veröffentlichungen. In der elektronischen Musik würde man nun von Sampling reden. Nicht, dass man Dan Sartain die geistigen Kapazitäten absprechen möchte, aber hier lassen sich die Rückgriffe wohl eher auf reine Einfallslosigkeit als auf selbstreflektierte Aufarbeitungsakte zurückführen.
Hervorstechendes Beispiel ist natürlich die Fortführung der “Walk Among the Cobras”-Trilogie vom Debut “Dan Sartain Vs. The Serpientes”. Handwerklich elegant verquickt der Musiker hier die Melodien der drei Vorgänger zu einem weiteren Song, der sich jedoch zu keinem Moment von seinen Quellen emanzipiert. Dreizehn Songs lang wiederholt Dan Sartain Altbekanntes und Abgedroschenes. Jedes Lied ist ein kleiner Hit, nur liegt das weniger an den kompositorischen Fähigkeiten des Musikers als an der Tatsache, dass die gespielten Tonfolgen sich davor schon tausendmal im Ohr festgehakt haben.
Natürlich sind stilistische Weiterentwicklungen im engen Genrekorsett nur schwer möglich. Ein Versuch ist der stampfende, dumme Schwanzrock von “Doin’ Anything I Say”: Ganz schön stumpf, aber irgendwie auch verdammt geil und unerwartet. Trotzdem funktioniert Dan Sartain immer dann als Kunstfigur am besten, wenn er als schmieriger Casanova seine Angebetete zu schwülem Americana wie in “Ruby Carol” bezirzt. Auch textlich werden vorgefertigte Klischees wie Legoklötze aufeinander getürmt: “I know what to do when your lover leaves you – Voo-Doo!” Leichte Mädchen, dicke Schlitten, Okkultes, kalte und/oder heiße Wüstennächte sowie scharlachrot blutende Herzen bilden die Grundlage von Texten, welche so vorhersehbar wie die Tattoos von Pinup Girls sind.
Es ist fast angsteinflößend, dass ein junger Künstler wie Dan Sartain nun schon seit drei Alben seine Kreativität darauf beschränkt, die gleichen Melodie- und Textbausteine zu rekombinieren. Natürlich gehört Rückwärtsgewandheit per se zu jeder Form von Retromusik, allerdings endet sie dort in einer Sackgasse, wo das Zitat nicht mehr Grundlage eines schöpferischen Akts, sondern unreflektiertes Plagiat ist. Fans dürfen natürlich ungehört zugreifen: Sie kriegen das, was sie erwarten. Auch Genreliebhaber sollten “Dan Sartain Lives” eine Chance geben. Oder einen der beiden Vorgänger anhören. Es macht keinen Unterschied.
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