Rezension

Dälek

Gutter Tactics


Highlights: No Question // Street Diction // 2012 (The Pillage)
Genre: Avantgarde // Hip Hop
Sounds Like: Still // El- P // Bomb Squad

VÖ: 30.01.2009

Die düsteren Propheten des Hip Hop sind wieder zurück. Nachdem „Abandoned Language“ zum ersten Mal so etwas wie Zugänglichkeit aufflackern ließ und ganz Amerika gerade auf einer Welle von Hoffnung und Aufbruch zu reiten scheint, könnte man annehmen, dass jetzt der Augenblick für Dälek gekommen ist, um ihren Untergangsklanggebilden auch einen neuen, positiveren Anstrich zu verpassen. Weit gefehlt. MC Dälek und Oktopus drehen das Rad der Zeit zurück und präsentieren fiese Dissonanzen, dickflüssigsten Soundbrei und hemmungslosen Hirnfick wie zu besten Anfangszeiten.

Dälek (sprich: dial-ekt) werden auch im Vorfeld von „Gutter Tactics“ nicht müde zu betonen, dass David Lynch abermals ein großer Einfluß für das mittlerweile fünfte Studioalbum war. Wie auch bei „Abandoned Language“ verwundert das beim Hören der Platte eigentlich niemanden. Nur, wenn der Vorgänger so etwas wie das „Lost Highway“ des Duos war, dann ist „Gutter Tactics“ jetzt das „Inland Empire“. Soll heißen: hatte man beim letzten Album noch so etwas wie einen klaren Blick (in diesem Fall wohl passender: ein klares Gehör), was sich da genau abspielt, steht man jetzt verständnislos und etwas verloren vor diesem Monolithen namens „Gutter Tactics“.

Schon das Intro mit einer Predigt des kontroversen Predigers Jeremiah Wright ist zutiefst verstörend und aufwühlend zugleich und geht nahtlos in das für Dälek-Verhältnisse recht flotte „No Question“ über, welches die Gitarre erstmal auf Höhe einer Grasnarbe stimmt. Das ist aber noch recht harmlos, denn im Anschluss macht „Armed With Krylon“ dann keine Gefangenen mehr: Die Synthies und Soundeffekte hängen wie unheilvolle Nebelschwaden im Raum und lassen kaum Platz zum Atmen. Der achtminütige Todesmarsch „Who Medgar Ever Was...“ packt dann auch noch den Beat in Blech und dreht gaaaaaanz langsam die Geschwindigkeit immer weiter runter, bis man den Eindruck hat, auf der Stelle zu hören.

Schwer verdauliche Kost, keine Frage. Aber irgendwie kann man sich von dieser hypnotischen Atmosphäre nicht trennen. Und Dälek haben auch ab und an ein Einsehen und werfen dem Hörer saftige Fleischbrocken hin. Das pulsierende „Street Diction“ ist beispielsweise glaubwürdiger als die ganze Gangsta-„wir-leben-in-fiesen-Ghettos“-Hip-Hop-Scheiße da draußen. Und wenn „2012 (The Pillage)“ den Oldschool Beat samt Didgeridoo-Sample rausholt, ist man auch mit „Gutter Tactics“ wieder vollkommen im Reinen. Dälek bleiben weiterhin eine der ganz wenigen Institutionen im Sprechgesang. Den Schlüssel, um ihre geheime Musikbox zu öffnen, haben sie uns allerdings wieder weggenommen.

Benjamin Köhler

Finden


Bye-Bye



Am 5. Januar 2021 haben wir éclat eingestellt. Mehr Infos hierzu gibt es auf unserer Startseite!