Rezension

Cursive

Vitriola


Highlights: Under The Rainbow // Ourobouros // Life Savings
Genre: Indie-Rock
Sounds Like: The Paper Chase // The Good Life // Mewithoutyou

VÖ: 05.10.2018

Ungefähr eine halbe Sekunde. Nicht länger brauchen Cursive auf „Vitriola“, um nostalgische Gefühle hervorzurufen, wenn „Free To Be Or Not To Be You And Me“ mit einer atonalen Cello-Note und Schlagzeuggeschepper beginnt. So war das Cello doch in deren Hochphase vielleicht das größte Alleinstellungsmerkmal der Saddle-Creek-Urgesteine, bis Cellistin Gretta Cohn nach dem 2005er Meisterstück „The Ugly Organ“ die Band verließ.

Insbesondere die letzten beiden Alben von Cursive ließen sich dann größtenteils „unter ferner liefen“ einordnen und standen eher hinter Tim Kashers Solowerken zurück. Es mag der Rückkehr des Cellos in den Cursive'schen Klangkosmos (Kashers Tourpartnerin Megan Seibe spielte die Parts ein) geschuldet sein, dass „Vitriola“ qualitativ wie auch klanglich wieder sehr an „The Ugly Organ“ erinnert oder auch an der allgemein neu entdeckten Vorliebe für schräge Dissonanzen – so klang bereits die Vorabsingle „Life Savings“ nach einer Alptraum-Version von ABBAs „Money, Money Money“.

Es mag aber auch daran liegen, wieviel inhaltliches Futter Tim Kasher, einer der besten Texter und eine der charakteristischsten Stimmen des Indierock, seit 2012 und „I Am Gemini“ bekommen hat: „Vitriola“ ist immens durch gesellschaftspolitische Ereignisse der letzten Jahre und die Ära Trump geprägt, vom Kampf der 99%, von zerplatzten Träumen und der grenzenlosen Dummheit des Menschengeschlechts. Und eine Entwicklung wie die des Internets (eine intellektuelle Meisterleistung, die wiederum zur allgemeinen Verdummung beiträgt) mit der mythischen Schlange „Ourobouros“ zu vergleichen, die sich selbst in den Schwanz beißt – da zeigt sich wieder der meisterhafte Texter, der Tim Kasher ist.

Jan Martens

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