Rezension

Colour Revolt

Plunder, Beg And Curse


Highlights: Naked And Red // Swamp // Shovel To Ground
Genre: Alternative-Rock
Sounds Like: Brand New // MeWithoutYou // Murder By Death // Cursive

VÖ: 01.04.2008

Talk, talk, talk, talk your devils down. Sun, sun, sun, sun is coming out. And burn, burn, burn all your witches out. Das Prinzip ist klar: Bei der Austreibung der inneren Dämonen kann kein Seelen-Exorzist helfen, negative Gefühle müssen ausgelebt werden, um sie ein für allemal loswerden zu können. Katharsis, wie sie der olle Aristoteles in seinen Einweg-Tragödien nicht besser hätte illustrieren können als in diesen Songzeilen. Nur: Was für Dämonenhorden müssen in der eigenen Psyche herumspuken, um so eine intensive Vokalisierung zu provozieren, wie es hier schon auf dem Opener von "Plunder, Beg And Curse" geschieht?

Oder, anders ausgedrückt: Was die Jungspunde von Colour Revolt hier an Emotionalität in ihr Debütalbum stecken, ist eigentlich viel mehr, als in so jungen Jahren schon in den Erfahrungsschatz eines Menschen gewandert sein sollte. Da jetzt jedoch das in der heutigen Musikwelt verpönte Wort Emotionalität gefallen ist, sogleich eine Einschränkung: Verheulte Trauer ist nicht im Katalog zu finden, dafür Hass, Wut und alles andere, was herausgeschrien werden muss. Dass dies auch musikalisch beeindruckend hochwertig geschehen kann, bewiesen letztes Jahr bereits Brand New, die nun auch hier als beste Referenz taugen. Verglichen mit diesen klingen Colour Revolt jedoch - die Gefahr eingehend, mit intersubjektiv eventuell nicht ganz leicht nachovllziehbaren, metaphorischen Musikbeschreibungen mehr Verwirrung als Klarheit zu stiften - stets noch trockener, erdiger, bodenständiger. So braucht ein Song wie "Elegant View" die ersten Minuten lang nicht viel mehr als ein ebenes Bett aus nur selten markant ausbrechenden Bass- und Gitarrennoten und einzelnen Bass- und Snare-Schlägen, um die kreischenden Riffs des Finales vorzubereiten; in anderen Songs erinnern die geschichteten Gitarrenklänge gar an Bands wie Dredg.

Nennenswerte Sprünge zwischen Polen wie laut und leise, spärlicher und reichlicher Instrumentierung sind eher eine, meist auch kaum vermisste, Seltenheit - doch wenn Colour Revolt wirklich einmal nicht anders können, als einen Song aus seinen strukturierten Bahnen zu schubsen, ist das Ergebnis umso eindrucksvoller. Bereits erwähnt wurde der Opener "Naked And Red": Hier drängen Gitarre und unbarmherzig treibendes Schlagzeug den Song von Anfang ähnlich mitleidslos nach vorne wie einen Sportwagen, in dessen Gaspedal sich ein Besenstiel verhakt hat, die knarzige Bridge ist dann durch der unvermeidbare Crash durch die Straßenabsperrung, der schließlich in einem todeskampfähnlichen Finale aus Geschrei und instrumentalem Lärm mündet. "Swamp" kann gar mit so etwas wie einem Refrain aufwarten, wodurch der Song so etwas wie ein Sinuskurvenmuster aus vergleichsweise friedlichem Alternative und aggressivstem Noiserock bekommt und man gar nicht anders kann, als die Songzeile My mind, my body were made for good and evil, too auch auf den Song als Ganzes zu beziehen. Oder auch, um Verständnishilfe für "Plunder, Beg And Curse" in seiner Gesamtheit zu gewinnen: And I said to him, "What a demon, man, you have conquered." Hier wird der Dämon nicht nur ausgetrieben, er wird erobert. Das sind Colour Revolt, das ist Katharsis 2.0.

Jan Martens

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