Rezension
Claus Grabke
Deadly Bossanova
Highlights: Deadly Bossanova // Running Man
Genre: Rumpel-Rock
Sounds Like: Clawfinger // Queens Of The Stone Age // Smoke Blow
VÖ: 09.05.2008
Kurze Frage, lieber Leser: Isst Du gerne Fleisch? Siehst Du Dich nicht zwangsläufig als Verbrecher an Gottes Schöpfung, nur weil Du Dir hin und wieder ein Stück totes Rind anstelle des schmackhaften Gemüseschnitzels zwischen die Brötchenhälften stopfst? Kannst Du auch mal eine Scheibe Schinken essen, ohne des Nachts vom Geist des Schweins heimgesucht zu werden, von dessen Oberschenkel Du genascht hast? Ja? Dann hat Claus Grabke eine schlechte Nachricht für Dich: Du, lieber Leser, bist eigentlich immer noch ein Höhlenmensch, der die letzten 3000 Jahre anthropologischer Entwicklung verschlafen hat, Du hockst arrogant an der Spitze der Nahrungskette, ohne das Blut an Deinen Händen zu bemerken, und eigentlich schlägst Du ja auch Deine Frau.
Klingt in Deinen Ohren etwas undifferenziert? Willkommen in der Welt von Claus Grabke und "Deadly Bossanova", in der vielleicht keine Gewalt gegen Tiere gutgeheißen, dafür aber gerne einmal mit dem Holzhammer um sich geprügelt wird - und zwar nicht nur, was die grautonlose Unterteilung in Gut und Böse angeht. Zum einen kann nämlich die These in den Raum gestellt werden, dass die lyrische Muse den Herren Grabke nicht nur nicht geküsst, sondern wahrscheinlich eine einstweilige Verfügung gegen ihn bewirkt hat: I'm a running man, I'm running from myself gehört noch zu den tiefschürfendsten Aussagen des Albums, ansonsten kulminieren die Texte des Güterslohers meistens darin, dass im Refrain der Liedtitel gegröhlt wird.
Natürlich wären solche Kritikpunkte, für sich allein genommen, bei der Musik, die Claus Grabke uns liefert, vollkommen fehl am Platze – wer sich bei einer Platte, die einfach lupenreiner Rock sein will, über einen Mangel an dichterischer Originalität aufregt, kritisiert auch bei nackigen Playboymädels die Wahl der Ohrringe. Wiederfinden lässt sich die – nennen wir sie „Schnörkellosigkeit“ – der Texte dann jedoch auch auf der musikalischen Ebene, über die „Deadly Bossanova“ mit dunklen Gitarren, brummenden Bässen und krachendem Schlagzeug schnurstracks nach vorne rumpelt. Experimente wie „Radioactivity“, in dem wohl einfach mal acht Minuten lang die richtige Einstellung für den Verzerrer gesucht wurde sowie das instrumentale Industrialzwischenstück „Hold On“, sind selten; meistens scheint Grabke anscheinend auf mehreren Stücken schlicht ausloten zu wollen, wie lange man ein Riff spielen kann, bis es dem Hörer zu den Ohren (über die es ja den Hörerkörper bereits betreten hat) wieder herauskommt – mal mehr, mal weniger erfolgreich.
Doch obwohl es schwer fällt, die simplen Strukturen und großteilige Vorhersehbarkeit in „Deadly Bossanova“ zu übersehen, kann nicht ignoriert werden, dass es gerade diese Eigenschaften sind, die Songs wie „Running Man“ oder besonders das schweineorgelnde (Dass Veganer so etwas benutzen dürfen…) „Deadly Bossanova“ zu herrlich eingängigen Kopfnickern machen, deren Qualität proportional zur Lautstärke zunimmt und die sich daher wahrscheinlich ideal für herrlich stumpfe, männliche Tätigkeiten eignen: Mit der Harley über die Landstraßen von Mettmann brettern, zum Beispiel. Oder Holzhacken. Oder mit der Schrotflinte durch die Wälder pirschen, um sich den nächsten ethisch vollkommen inkorrekten Wildschweinbraten zu schießen. Und das, Herr Grabke, nennt man dann wohl Ironie.
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