Rezension

Chelsea Wolfe

Abyss


Highlights: Carrion Flowers // Colour Of Blood // After The Fall
Genre: Doom // Gothic // Rock // Drone
Sounds Like: Esben & The Witch // Neurosis & Jarboe // Zola Jesus // Sunn O))) // Swans

VÖ: 07.08.2015

Für die Wahrnehmung von Musik ist oftmals der Kontext entscheidend. Ist die Stimmungslage unangebracht, kann das beste Album an einem vorbei laufen, ohne dass davon groß Notiz genommen wird. Sommeralben passen zu 30 Grad und mehr Außentemperaturen, im Winter hingegen kann die Musik auch gern mal etwas düsterer sein. Umso beachtlicher ist es, welche Abgründe sich nun, mitten im Hochsommer des August, auftun. „Ding Dong, The Witch Is Back“ ergrollt es aus weiter Ferne, Chelsea Wolfe macht sich einmal mehr auf, zum Stimmungsschreck zu werden. „Carrion Flowers“ besteht im Grunde nur aus Bass. Lautem, triefendem, auftürmendem Bass. Dazwischen erhebt sich aus einer düsteren Spalte der Gesang Wolfes und kündet von der Wiederkehr des vertonten Bösen. Düster war Wolfe schon immer, ihr Lo-Fi-Sound samt Kreisch-Schrei-Singsang konnte einem das Blut in den Adern gefrieren lassen, Stücke wie „Demons“ klangen exakt, wie ihr Titel es erwarten ließ.

Neu ist nun der Bombast. Die gewaltige Schwere, die Wolfe nun aufbaut. Der Lo-Fi-Sound ist weg, der schiefe Gesang auch. Vielmehr ist sie nun die Sirene im Untergang. „Carrion Flowers“, „Iron Moon“, „Dragged Out“ – unablässig stampft das Bassgewitter und es gibt keinen Ausweg. Dazwischen der nervenaufreibende cleane Gesang Wolfes, der monoton die Lage kommentiert. Nachdem sich in dieser ersten Viertelstunde der Abgrund des Todes aufgetan hat, jedoch eine allgemeine Pause vergönnt. „Maw“ gibt sich versöhnlich. Auf einmal werden aus einer Gitarre helle Töne gezupft, Wolfe fragt engelsgleich „Where Are You?“ – nur um zu antworten, dass nun der Schlaf im Schlund eingesetzt hat. Passagen dieser Art gibt es immer wieder auf „Abyss“, in „Simple Death“, oder „Survive“, zumindest bis zu diesem Punkt, bis auch letztes Leben in einem Gewitter ausgehaucht ist.

Hoffnung? Ab und an ein Lichtstrahl, ja, das war es aber auch. „After The Fall“ könnte so eine Schönheit ausstrahlen, nähme man diverse Ausbrüche und Hintergrundschreie weg. „Colour Of Blood“? Dunkelrot, dazu pochend der Bass. „The Abyss“ selbst? Ein schiefes Klavier im hallenden Nichts. Eine Geige in ihren letzten Zügen irgendwo. Am besten man gefriert dieses Album ein, ein paar Monate, bis zum ersten Frost, dann kann es seine ganze zerstörerische Kraft entfalten. Bis dahin genießt die sonnigen Tage, bis die Hexe auch euch in den Abgrund zieht. Vor „Abyss“, so scheint es, gibt es kein Entrinnen.

Klaus Porst

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