Rezension

Charlotte Hatherley

The Deep Blue


Highlights: Roll Over (Let It Go) // Very Young
Genre: Pop
Sounds Like: Bobo in White Wooden Houses // Ash // Patti Smith // An Pierle

VÖ: 18.05.2007

Charlotte Hatherley – die von Ash, der Band, die sie vor 15 Monaten verlassen hat – legt ein neues Solo-Album vor. Eines, das einerseits den großartigen Alternative-Pop des Debüts „Grey Will Fade“ weiter schreibt, sich aber vor allem nicht festlegen lassen möchte, das zwischen Air und den Flaming Lips pendelt, das versucht eigenständig zu sein, ohne (zu sehr) anzustrengen.

„The Deep Blue“ heißt es und suggeriert im Titel schon eine versunkene, introvertierte, abgeschiedene Atmosphäre. In Verbindung mit dem eher verspielt poppigen Cover verrät die Verpackung die groben Zutaten des Albums. Ohrwurmartige Refrains treffen auf verspielt chaotische Song-Strukturen treffen auf Power-Pop. Letzteres (z. B. „I Want You To Know“, „Very Young“) erinnert noch am ehesten an das Debüt oder ihre Arbeit mit Ash. Wobei erwähnter Song sogar eher vom Debüt der Band stammen könnte und erst durch Charlottes Gesang eindeutig ihr zuzuordnen ist.

Stücke wie das angeblueste, angerockte „Behave“ überzeugen im Prinzip sofort, bergen aber genug Brüche, Sprünge, Fallen, um sie als schwer verdaulich zu bezeichnen, aber gleichzeitig somit die Spannung, einen zu fesseln und dem Album – oder einzelnen Songs – mehr als eine Chance zu geben. Fans des Debüts oder von Ash könnten an dem Album als ganzem verzweifeln, sollten aber doch viele der Teile genießen können. Unter diesen Vorzeichen – „Grey Will Fade“, „Ash“ – betrachtet, ist „The Deep Blue“ kein Album-Album. Es fehlt die Homogenität, die Pop-Alben dann doch erfordern, um jenseits des Radios zu bestehen. Vielmehr handelt es sich hier um den Versuch, uns zu fordern, Songs zu produzieren, die sich unterscheiden, die in den verschiedensten Zusammenhängen funktionieren, die berühren und provozieren.

Beginnt „Roll Over (Let It Go)“ erst wie ein zarter Folk-Song, der von An Pierle, Maria Mena oder Anna Ternheim stammen könnte, dreht er sich etwa zur Hälfte, packt den Rock aus, die Hymne, ja gar die Stadiontauglichkeit. Den Rock zeigt „Very Young“ von Anfang an, verpackt dies aber in einer punkigen Rauigkeit, bei der die – vorhandene, großartige, typisch Hatherley’sche – Melodie nur die zweite Geige spielt. Ähnliches ließe sich von „Dawn Treader“ erwarten, wurde er doch mit Andy Partridge zusammen geschrieben, doch entpuppt sich dieser als sphärischer und zurückgenommener Downtempo-Track. Ballade wäre das falsche Wort, es würde aber zu „It Isn’t Over“ passen, einem echten Lullaby.

Eindeutig Pop, versuchen Hatherley und ihre Produzenten möglichst viel in die Stücke hineinzupacken. Das gelingt eben so oft, wie es fragende Blicke erzeugt. Vielfach bombastisch, häufig mehr auf das Ambiente als auf den Song konzentriert, entstehen so Tracks, die den Poprahmen sprengen, die das Publikum teilweise außen vor lassen, schwer zugänglich sind. Mit diesem Album wird die Sängerin sicher nicht die Charts erobern, sondern sich eher einen Namen als interessante, beobachtenswerte Künstlerin sichern.

Oliver Bothe

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