Rezension

Charles Bradley

Changes


Highlights: Nobody But You // Ain't Gonna Give It Up // Changes
Genre: Soul // Funk // R&B
Sounds Like: Otis Redding // James Brown

VÖ: 01.04.2016

Als ich Charles Bradley zum ersten Mal hörte, war ich sehr überrascht zu erfahren, dass es sich um Live-Aufnahmen des SXSW-Festivals 2011 handelte. Noch erstaunlicher, dass es sich bei Bradley nicht um einen gestandenen Veteranen der Woodstock-Ära, sondern um einen relativ frischen Emporkömmling handelte, der erst in der siebten Lebensdekade sein Debütalbum „No Time For Dreaming“ veröffentlicht hatte.

Selten werden heutzutage Soul und Funk derart zelebriert wie bei Charles Bradley. Seine Musik setzt sich aus Fragmenten zusammen, die einem fernen Amerika der sechziger Jahre zu entstammen scheinen. Falls ihr Klang irgendetwas auf seinem Weg in die Neuzeit mitgenommen hat, dann wohl am ehesten noch das teils temporeich antreibende Hip-Hop-Schlagzeug. Denn sonst regiert ein sonnengetränkter Sound aus Bläsern und warmen Gitarrenriffs, für den sich Bradleys Label Daptone Records in den letzten Jahren als Spezialist erwiesen hat. Man kann Charles Bradley nur schwer lauschen und dabei gleichzeitig schlechte Laune haben. Die mindestens eine Generation jüngeren Musiker aus den Formationen Menahan Street Band und The Extraordinaires verstehen es, ihren Hauptprotagonisten nie alt aussehen zu lassen, sondern bewahren sich eine gewisse Frische. Soul wird bei Bradley daher in die Gegenwart transferiert, ohne auf dieser Zeitreise Ermüdungsbrüche zu erleiden.

Die Themen des Sängers sind hingegen so alt und wohlbekannt wie seine Musik. Titel wie „Nobody But You“, „Things We Do For Love“ oder „Crazy For Your Love“ weisen darauf hin, dass es sich auf „Changes“ meistens um die Liebe dreht. Einem Künstler wie Bradley muss man diesen aufdringlichen, grenznaiven Grundpositivismus jedoch abkaufen, gleicht dessen eigene Biographie doch einem kleinen Wunder. Die Dokumentation „Soul Of America“ vollzieht den Wandel des Sängers von Jahren der Obdachlosigkeit im Teenageralter hin zu spätem, musikalischen Weltruhm nach. Typisch Amerika eben – Bradley bedankt sich auf „Changes“ mit dem völlig Ironie-freien Gospel „God Bless America“.

Während Bradley sich viel mit sich selber beschäftigt, rückt „Changes“ mehr noch als seine Vorgänger dessen heute selten gewordene Stimmgewalt in den Fokus. Auf dramatische und ergreifende Weise etwa, wenn der mittlerweile 68-jährige in dem Black-Sabbath-Cover „Changes“ zu theatralischen Bläsern den kürzlichen Tod seiner Mutter verarbeitet. Nicht erst mit diesem dritten Album, doch spätestens jetzt ist aus dem früheren James-Brown-Imitator eine Soul-Größe geworden.

Jonatan Biskamp

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