Rezension

Bratze

Korrektur Nach Unten


Highlights: Menschen im Minus // Die auswendigen Muster // Das einfache Fluten // Molfsee
Genre: Indie-Electro-Trash
Sounds Like: Der Tante Renate mit ClickClickDecker // ClickClickDecker mit Der Tante Renate

VÖ: 19.03.2010

Das haben Kevin Hamann und Norman Kolodziej ja geschickt eingefädelt. Was dem einen fehlt, das gibt ihm einfach der andere. Hamann alias ClickClickDecker, üblicherweise als Singer/Songwriter auf der Bühne, und Kolodziej, alias Der Tante Renate, üblicherweise mit wildem Electro-Trash unterwegs, gehen gemeinsam eine perfekte Symbiose ein. Wo es Der Tante Renate bisher an Worten gefehlt hat, bringt nun ClickClickDecker kritische Texte ein, und wo es ClickClickDecker bisher an Lautstärke mangelte, gibt es jetzt Der Tante Renates tanzbare Beats zu hören.

Nach dem gefeierten Debüt „Kraft“ von 2007 hauen Bratze nun, nach einer Pause, in der sich auf die eigenen Solo-Projekte besonnen wurde, wieder gemeinsam das nächste große Ding raus: „Korrektur nach unten“, mit dem Untertitel: „Die Notwendigkeit einer Übersetzung“. Eine Übersetzung ist für alle Deutschsprachigen eigentlich nicht notwendig. Aber zwischen den Zeilen lesen sollte gelernt sein. Was nämlich wie Party-Electro-Trash wirkt, ist im Kern hochpolitisch und kritisch. So geht es beispielweise im Song „Das einfache Fluten“ um soziale Netzwerke wie Facebook, StudiVZ und wie sie nicht alle heißen. „Verbrenne dein Netzwerk / Lösch deine Profile / Hol dir dein Leben zurück!“, fordern Bratze. Die hohe Präsenz der Internt-Kommunikation wird kritisiert. „Triff dich mit den Menschen, die dich interessieren!“, schlägt Kevin Hamann vor. Auch die große Preisgabe von Gedanken, die Menschen vor einigen Jahren noch nicht einmal ihren besten Freunden verraten hätten, und die sie jetzt beispielweise über Twitter jedem zugänglich machen, wird in Frage gestellt.

Wie zu erwarten war, funktioniert das Ganze live jedoch noch wesentlich besser als von der Platte. Da lohnte sich auf der Tour ewig langes Warten, um doch noch in den eigentlich ausverkauften Club hinein zu kommen. Während man sich beim Anhören zu Hause eher auf die immer wieder Überraschungen bereit haltenden Texte konzentrieren sollte, kann man beim Konzert seinen Kopf ruhig mal abschalten und die Beine sprechen lassen. Norman Kolodziej schießt dafür seine Elektro-Beats in die Menge, die man nun noch besser als bei Der-Tante-Renate-Konzerten abfeiern kann, und die dazu nun auch noch Texte zum Mitsingen haben. Wer die Tour versäumt hat, sollte sich in jedem Fall auf die nächste freuen, aber bis dahin kann man sich auch zu Hause über die Songs freuen, die mit Textfetzen wie „Kann ich im Himmel den Hund behalten“ immer wieder glänzen.

Marlena Julia Dorniak

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