Rezension
Braids
Flourish // Perish
Highlights: December // Hossak // Amends // In Kind
Genre: Electronica
Sounds Like: Grimes // Portishead // Aphex Twin
VÖ: 23.08.2013
Es gibt Menschen, die beim Hören bestimmter Töne oder Geräusche gleichzeitig ein Wärmegefühl empfinden oder Farben und Muster vor ihrem inneren Auge sehen. Synästhesie nennt sich das im Fachjargon, wenn die Sinne miteinander verschmelzen und Reize derart verknüpft wahrgenommen werden. Um beim Hören des neuen Albums von Braids etwas ganz ähnliches zu erleben, muss man kein Synästhetiker sein. Denn mit „Flourish // Perish“ ist den Kanadiern ein außergewöhnlich evokatives Zweitwerk geglückt, das zweifellos die Sinne anregt.
Die erste Albumhälfte „Flourish“ versprüht mit ihren hypnotischen Beats und Raphaelle Standell-Prestons einnehmendem Gesang selbst in „December“ eine derart anheimelnde Wärme, dass man instinktiv die Augen schließt und sich vom Puls der Elektronik treiben lässt. Hinterlässt der völlige Verzicht auf Gitarren zugunsten elektronischer Spielereien gerne mal eine gewisse emotionale Leere, gelingt Braids hier das genaue Gegenteil. Denn ihre vertrackten Rhythmen, die insbesondere in „Hossak“ ein wenig an Portishead erinnern, wirken keineswegs unterkühlt oder mechanisch, sondern vielmehr derart lebendig, dass man sich selig lächelnd zurücklehnt, um das prachtvolle Kopfkino zu genießen.
„Together“ leitet mit metallisch-dumpfen Beats schließlich die Kehrseite ein: „Perish“. Die Stücke auf dieser zweiten Albumhälfte sind weitschweifiger und zweifellos düsterer. Anstatt warmer Farben dominieren nun eher die Graustufen des Albumcovers die Wahrnehmung. Selbst wenn die mollige Stimme der Sängerin in „Ebben“ noch beschauliche Klänge suggeriert, bringen einen die eigentlichen Worte, die auf so betörende Weise über ihre Lippen kommen („I could grab them / Shoot them down and stab them / But I murdered them all / All before they fall“), schnell auf den trostlosen Boden der Tatsachen zurück. In „Amends“ wird an eben jener so betörenden Stimme erstmals ausgiebig herumgespielt, der Gesang verzerrt und gesampelt, bis am Ende nur noch kaum verständliche Fetzen über den brodelnden Synthies tänzeln. Die Bilder im Kopf tänzeln mit. Zumindest so lange, bis einen das schrille, nahezu gläsersprengende Falsett im großen Finale „In Kind“ völlig aus dem Sessel reißt und der Sinn eindeutig nach Wiederholung steht.
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