Rezension

Bonobo

Migration


Highlights: Outlier // Kerala // Break Apart // No Reason
Genre: Ambient // Electro // IDM
Sounds Like: Four Tet // Tycho // Apparat // Boards Of Canada // Caribou // Chet Faker

VÖ: 13.01.2017

 2017 ist das Jahr, in dem wir uns globalen Problemen endlich wieder stellen müssen, bevor es andere tun und mithilfe alternativer Fakten lauthals kundtun, irgendetwas wieder „great“ machen zu wollen. Weltweite Migrationswellen und vor allem der Umgang mit ebenjenen sind dabei auch in diesem Jahr wieder eine der wichtigsten Themen im Kampf um die populistische Meinungshoheit. Umso erfrischender, wenn jemand wie Simon Green, seines Zeichens bereister und kultivierter Pop-Nomade, sich des Themas annimmt und ihm seine sechste Platte widmet.

Doch ganz so politisch wie der Titel „Migration“ in diesen Zeiten zu versprechen vermag, ist die Platte nicht geworden. Viel mehr beschäftigt sich Green a.k.a. Bonobo hier mit der persönlichen, philosophischen Suche nach Heimat. Nach einem miesen Jahr voller privater Rückschläge und einer umfassenden Tour zum Vorgängeralbum „The Northern Lights“ fand sich Green, wie er dem Wired Magazine verriet, an einem Zeitpunkt seines Lebens wieder, an dem Identität, Heimat und Herkunft eine übergeordnete Rolle spielten. Während einer Zeit in der Wildnis, den Bergen und der Wüste habe er diese Gedanken verarbeitet und die Idee zu „Migration“ sei geboren.

Auch musikalisch hört man „Migration“ diese Suche nach Identität und Heimat an – fast schon ein Allgemeinplatz in der Bewertung der Platte eines Künstlers, der sich seit über 15 Jahren an den Grenzen von World Ambient, Club- und Popularmusik abarbeitet. Doch Bonobo geht hier noch einen Schritt weiter, verfeinert seinen Sound, konkretisiert die Herkunft seiner Einflüsse. Elemente der Post-Klassik á la Ólafur Arnalds („Migration“) finden hier ebenso Erwähnung wie Anlehnungen an den atmosphärischen Dubstep Burials („Outlier“). Exotisch-tribalistische Sounds findet man auf dem auffallend herausstechenden „Bambro Koyo Ganda“ mit dem marokannischen Musikerkollektiv Innov Gnawa, während die Kollaborationen mit Rhyes Milosh („Break Apart“), Hundred Waters’ Nicole Miglis („Surface“) und vor allem Nick Murphy formerly known as Chet Faker („No Reason“) das Zeug zu eingängigen Pophits haben.

„Migration“ ist trotz seiner vagen Variablen Bonobos reifstes Werk. Das melancholische Album, dessen zentrales Element das der Identitäts- und Heimatsuche ist, ist am Ende vielleicht doch wesentlich politischer als vom Künstler geplant. Denn die Suche nach dem Selbst ist immer auch eine Suche nach dem Wir und dem Status Quo unserer Gesellschaft, an dem wir uns in 30 Jahren messen lassen müssen.

Andreas Peters

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"No Reason" mit Nick Murphy

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