Rezension

Black Eyed Peas

The E.N.D.


Highlights: Rock That Body // Meet Me Halfway // Imma Be
Genre: Electro-Pop-Hop
Sounds Like: Culture Beat // Kate Ryan // Mr. President // Jeanette Biedermann // Kanye West // Lady Gaga // Flo Rida // David Guetta // Lil Wayne // Rednex

VÖ: 05.06.2009

Zwei Alben lang Kritikerlieblinge, zwei Alben Publikumslieblinge und weltweite Erfolge mit funky Hippop und Pophop – nicht nur, aber auch dank Fergie – und jetzt ein Electropophop-Album. Das sind die Black Eyed Peas. „The Energy Never Dies“ soll ein Partyalbum sein, eine durchgängig ekstatische Erfahrung. Siebzig Minuten feiern, ausgehend von „Boom Boom Pow“, der schon jetzt erfolgreichsten Single der BEP.

Die subjektive Sicht dieses Hörers empfand eben diese Single in ihrer Radio- und Videofassung als langweilig, billig, misslungen. Tatsächlich relativiert der Album-Edit diesen Eindruck und verdeutlicht die Qualität des Tracks: Komprimierte, trocken pumpende Beats und verzerrte Synthies schaffen Spannung und eröffnen so das Album durchaus positiv. Danach aber zeigen die BEP, insbesondere ihr Mastermind will.i.am und ihre mit-produzierenden Musiker Keith Harris und Printz Board, dass sie – möglicherweise aus einer amerikanischen Perspektive – das Phänomen elektronischer Tanzmusik nicht verstanden haben. Ohne Unterschied werden Eurodancetrash und frankophone Dance-, House- und New-Rave-Einflüsse eingebunden und mit der BEP-eigenen Funk- und Disco-Tradition gemischt.

Der Bezug zu den nicht erst seit Kanye West überpräsenten Franzosen um Daft Punk oder Justice wird vertieft durch die Kooperation mit David Guetta. Der darf die Tracks „Rock That Body“ und „I Gotta Feeling“ aufhübschen. Aber auch ohne ihn binden Harris, Board und will.i.am genügend knarzende Synthesizer und pumpende New-Rave-Beats in die Tracks, um die elektronischen Referenzen ins (un)rechte Licht zu rücken. Klanglich enden die Stücke so irgendwo zwischen Kevin Rudolf, Kanye West, Lil Wayne und Jeanette Biedermann. Genügen die Stücke im ersten Albumdrittel im Durchschnitt noch dem (geringen) Anspruch, der nach „Boom Boom Pow“ an die BEP gestellt werden konnte, überwiegen nachfolgend die Biedermann-, die Mr.-President-Assoziationen.

Tatsächlich ist es 2009 fast ein Trend, Eurodancetrash-Samples als Grundlage von Hip(P/H)op-Nummern zu verwenden (T.I., Flo Rida), und will.i.am als Produzent von Flo Rida hat dazu durchaus beigetragen, aber im Grunde beweisen die bescheidenen Ergebnisse auf „The E.N.D.“ vor allem das Unvermögen der Produzenten, die (europäischen?) Electro- und Synthie-Pop-Entwicklungen erfolgreich zu vereinnahmen. Als schlimmstes Beispiel kann sicher „Now Generation“ dienen, das neben missglückten und billigen Melodien und Beats zudem noch mit ebensolchen und vor allem ziellosen Vokalausbrüchen des rappenden BEP-Kleeblatts und ihres singenden Feigenblattes Fergie beglückt. Nervig wie langweilig und irgendwie extrem poppig.

„Rock That Body“ – eines der wenigen Highlights des Albums – gelingt Dank David Guetta als frankophone House-Hop-Produktion. Das ist in keinem Moment neu, aber gut. Der Mangel an eigenem Input der BEP verbessert die Nummer. Hier wie auch andernorts stellt sich die Frage, ob das Album ohne Raps und ohne Gesang nicht deutlich besser sein könnte. Ohne Guettas Hilfe findet sich das frankophile Konzept erneut wieder in „Rockin To The Beat“: Discofunk im Daft-Punk-Kleid. Der Daft-Punk-Vergleich hilft erneut beim Autotune-Pop „Alive“, der aber nach kurzem Interesse belanglos dahinplätschert, und bei „Imma Be“, das zunächst als Kopie von Lil Waynes „A Milli“ erscheint und dann eben als Daft-Punk-Nachahmung. Zwischen M.I.A. und Lil Wayne inszeniert apl.de.ap „Mare“ und endet so de facto bei einer Cover-Version von N.E.R.Ds „Everyone Nose“, was kein schlechtes Ende ist.

Überraschend und von der Idee her gut trifft „Electric City“ auf den Hörer. Aggressiv inszeniert rocken reduzierte Beats, verlieren aber sehr schnell jedwede Spannung. Vom Ghettotech-Versuch zum puren Trash braucht es keine zwei Takte. Dennoch gehört die Nummer zu den verblüffend unterhaltenden auf „The E.N.D.“. Allgemein aber überwiegen langweilige bis nervige Stücke. Der Beatpop „Showdown“ gelingt zwar irgendwie, steckt im Grunde voller Energie, doch will diese Energie sich nicht wirklich übertragen. Ähnlich ergeht es der Electro-Hop-Ballade „Meet Me Halfway“. Vocal-housig und mit MGMT-Anleihen offenbart sie ein Grundproblem des Albums: Keine Idee wird wirklich zu Ende gedacht. Es erscheint, als solle mangelndes Vertrauen in die eigenen Entwürfe durch möglichst viele Wendungen und Kniffe kaschiert werden.

Der Mantel des Schweigens ließe sich über den Rest des Albums decken, aber so bliebe verborgen, dass „I Gotta Feeling“ klingt, als würde Kevin Rudolf Rednex produzieren und alle dabei zu viel Ecstasy genommen hätten. Es würde nicht gesagt, dass in der Anti-Party-Hymne „Party All The Time“ Hippop plötzlich ganz offiziell nach Venga Boys klingen darf. Außerdem bliebe die traditionelle Funk-Soul-BEP-Nummer „Out Of My Head“ unerwähnt, ebenso wie die Tatsache, dass Fergie über weite Teile der zweiten Albumhälfte wirklich klingt wie Jeanette Biedermanns Schwester … was den Trash-Charakter weiter Teile des Albums nur unterstreicht.

Die Energie stirbt nie? Ähm, auf „The E.N.D.“ überlebt sie kaum die ersten Minuten. Die Vorstellung der Black Eyed Peas von hedonistischer Selbstverwirklichung scheitert grandios. Dem Hörer bleibt: abhaken und vergessen. Aber die sechzehn Singles werden uns wohl mindestens die nächsten drei Jahre verfolgen und, so seltsam es klingt, am Ende sogar unterhalten.

Oliver Bothe

Finden


Bye-Bye



Am 5. Januar 2021 haben wir éclat eingestellt. Mehr Infos hierzu gibt es auf unserer Startseite!